Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
sagte Bruder Tadeáš.
4.
»Es ist zu leicht gewesen«, flüsterte Samuel in Ebbas Ohr.
Ebba seufzte. Auch Samuels Männer blickten sich eher misstrauisch um. Sie hatten in einem Gewaltritt die Strecke von Braunau nach Prag zurückgelegt, hatten sich in Prag ein Versteck gesucht, hatten alle möglichen Orte, an die die Teufelsbibel gebracht worden sein konnte, ausgekundschaftet; hatten dann nach tausend betont harmlosen Fragen herausgefunden, dass es in der Prager Burg einen Ort gab, den der berüchtigte Kaiser Rudolf als seine Wunderkammer bezeichnet hatte; hatten nach diesem Strohhalm gegriffen, weil es keinen anderen gab, hatten eine Nacht abgewartet, in der nach einer kurzen Tauperiode und gleich danach einsetzendem Frost dichter Nebel die Stadt einhüllte, hatten mit Seilen und Wurfankern und einer halsbrecherischen Klettertour über die der Stadt abgewandte Seite des Burgfelsens die Mauern erklommen, hatten einen Wachwechsel abgewartet und waren dann in das Labyrinth der Burg eingedrungen,den widersprüchlichen Aussagen folgend, wo die Wunderkammer sich befand, tasteten sich nun durch eine mit jedem Herzschlag beklemmender werdende Finsternis, während ein völlig verängstigter Dienstbote, den sie auf dem Abtritt überrascht hatten und dem Alfred Alfredsson seinen Dolch in den Rücken bohrte, ihnen voranstolperte, seine Hosen mit beiden Händen festhaltend, weil er sie vor Angst nicht mehr zubinden konnte … und Samuel Brahe fand, es war zu leicht gewesen!
»Carpe diem« , flüsterte sie. »Schauen wir, was da drin auf uns wartet.«
Samuel packte ihren Arm. »Ich traue dem Braten nicht. Es sieht zu sehr nach einer Einladung aus …«
»… um nicht nach einer Falle auszusehen? Wer, glaubst du, sollte uns hier erwarten?«
»Ich frage mich, warum wir so einfach eintreten können.«
Sie fühlte seine Blicke und machte eine entschlossene Miene. Samuel hatte darauf bestanden, dass sie sich alle Asche und Fett ins Gesicht schmierten, um mit der Finsternis verschmelzen zu können. Seine Augen funkelten aus dem obersten der dicken schwarzen Schmierstriche heraus, die er sich links und rechts ins Gesicht gewischt hatte wie die Streifen eines Tigers. Sein Gesicht sah bizarr aus, aber sie wusste, dass ihres nicht weniger seltsam wirkte. Ein Teil ihres Herzens hatte Mitleid mit dem Dienstboten, dem sie vorkommen mussten wie Dämonen aus der Hölle, die sich in einer unbekannten Sprache unterhielten und ihn zweifelsohne später auffressen würden.
»Du hast doch gesehen, wie hektisch es in der Stadt zugeht mit Schanzarbeiten und dem Auf bau von Hindernissen. Alles bereitet sich darauf vor, den Angriff Königsmarcks abzuwehren. Die Prager haben weder Zeit noch Soldaten genug, um innerhalb einer befestigten Anlage einen einzelnen Eingang zu bewachen.«
Samuel gab der Tür einen leisen Stoß. Sie schwang lautlos ein paar Zoll weit auf.
»Das meine ich nicht«, knurrte er. »Was ich meine, ist, dass nicht mal abgesperrt ist.«
Ebba wandte sich an den Dienstboten und fragte in seiner Sprache: »Ist diese Tür sonst versperrt?«
Der Mann sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. Ihr dämmerte, dass er erst an ihrer Stimme gemerkt haben konnte, dass sie eine Frau war. Seine Lippen zuckten in ebenso großer Panik wie Fassungslosigkeit. Seine Welt war vollkommen auf den Kopf gestellt – in der Nacht von schwarz gestreiften Dämonen mitten in der vermeintlich sicheren Burg vom Abtrittloch gezerrt und gezwungen zu werden, die Dämonen zur Wunderkammer zu führen, um dann festzustellen, dass einer davon eine Frau war, die seine Sprache völlig makellos beherrschte … vermutlich hätte er nicht einmal seinen eigenen Namen fehlerfrei hervorbringen können. Seine Augen zuckten zwischen ihr und Samuels Männern hin und her.
»Wir können hier sitzen und diskutieren bis zum Tagesanbruch und werden es nicht rausfinden«, flüsterte sie. »Ich gehe jetzt rein.«
»Ich komme mit«, sagte Samuel.
Ebba widersprach nicht. Sie wechselten einen Blick. Samuel lockerte den Dolch in seinem Gürtel, gab einem seiner Männer, ohne hinzusehen, seine Pistolen und empfing dafür einen weiteren Dolch. Auch Ebba legte ihre Schusswaffe ab. Wenn sie sie hier abfeuerte, würden sie in wenigen Herzschlägen die ganze Burgbesatzung auf dem Pelz haben, Personalmangel hin oder her.
Samuel deutete auf den Dienstboten und sagte auf Deutsch zu Alfred: »Ihr versteckt euch in der leeren Kammer weiter vorn, an der wir vorbeigekommen sind. Wenn wir
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