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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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es an allen Königshöfen«, erwiderte Samuel. »Auch in Schweden.«
    »Jetzt nicht mehr!«, zischte Ebba.
    »Die Frage ist, ob den Unseligen damit ein Gefallen getan ist. Immerhin werden solche wie sie geboren, egal, ob unsere Königin von ihnen fasziniert ist oder nicht. Und ich wage zu behaupten, dass es ihnen besser ginge, wenn sie das Objekt allgemeinen Begaffens am Hof wären.«
    »Möchtest du dich den ganzen Tag anstarren und dir sagen lassen, dass du nur gelitten bist, weil du …«
    »… wie ein Monstrum aussiehst? Nun, lieber würde ich mich von der Hofgesellschaft anstarren lassen und ein Dach über dem Kopf und fünf warme Mahlzeiten am Tag haben, anstatt in einem Schinderkarren von Dorf zu Dorf durch Schnee, Eis und Regen gezerrt und trotzdem angestarrt zu werden, allerdings zum Nutzen der Zirkusleute und von Bauern, die mir faules Obst zum Käfig hereinwerfen und mich mit Stöcken piesacken.«
    Ebba starrte noch immer die Bilder an. Samuels Lichtkreis war längst weitergewandert, aber sie konnte ihn nicht von den Monstrositäten losreißen. Auf dem ersten war einMann zu sehen, der nackt auf dem Bauch lag. Sein Körper war eine gestaltlose Walze ohne Arme und Beine, und allem Anschein nach war er schon so auf die Welt gekommen. Das Bild daneben zeigte einen Mann in teurer Kleidung, perlenbestickt, mit Ketten, die ihm um den Hals hingen. Das Gesicht war ein zottiger Pelz, aus dem Augen, Nasenlöcher und Lippen schauten, die so rot waren, als habe er Blut geleckt. Sein Grinsen war abscheulich, doch wahrscheinlich war es nur ein Lächeln. Das nächste Bild zeigte eine Frau und zwei Kinder, die ebenso wie der Mann daneben vollkommen behaarte Gesichter hatten … und haarige Pfoten … und Haar, das den Kindern unter den Kniebundhosen hervorquoll und der Frau oben aus dem Dekolleté …
    »Ebba!«
    Sie schluckte. Vor ihren Augen verschoben sich die Bilder der haarigen Menschen und vermischten sich mit ihrer Erinnerung an Kristina, und plötzlich meinte sie die Berührung von Pelzpfoten an ihren Brüsten zu spüren und eine Pratze mit borstigen Haaren, die sich zwischen ihre Schenkel zwängte …
    »Ebba?«
    »Dieses Drecksding … diese Teufelsbibel … macht alles kaputt, was gut ist!«, zischte sie und wischte sich mit einer zitternden Hand über den Mund. »Sie gehört vernichtet, sonst nichts. Verbrannt!«
    Samuel berührte ihre Hand; sie hätte beinahe aufgeschrien.
    »Die ganze Halle hier ist voll mit Zeug«, flüsterte er. »Man hat den Eindruck, dass sich schon viele Leute bedient haben, und trotzdem ist sie noch immer vollgepackt wie das Bett in einer Bauernkate an einem Regentag. Komm weiter. Wenn Königsmarcks Soldaten erst die Stadt überrannt haben, ist der General am Ziel seiner Wünsche.
    »Was meinst du damit?«
    »Beute!« Samuel machte eine weit ausholende Armbewegung. Wenn man länger hier war, begann man, die Topografie der riesigen Halle zu ahnen: Regale auf Regale, Schränke, Tische, Kästen, Truhen – vollgepackt mit schweigenden Schätzen, Wunderdinge und Ekelhaftes, Kostbarkeiten und Trödel, der schimmernde Zauber von Reichtum und die finstere Magie eines kranken Kaisers, der den Tand der Welt sammelte, um damit die gähnende Leere in seinem Inneren zu füllen, die der Tod von Glaube, Liebe und Hoffnung in seiner Seele hinterlassen hatten. »Königsmarck hat Krieg geführt wie ein wildes Tier, und als solches behandelt ihn jeder von Stand. Herzog Maximilian von Bayern wäre unter den protestantischen Fürsten nicht so unwillkommen wie ihr eigener Feldherr, Graf Christopher von Königsmarck. Wenn er sich aber diese Reichtümer hier aneignet, dann ist er ein ungeheuer vermögendes Tier, und das Erste, was einem der Reichtum schenkt, sind eine starke Anziehungskraft und viele, viele Freunde…«
    Sie schlichen weiter vorwärts. Ebbas immer mehr sich an die Dunkelheit gewöhnenden Augen konnten jetzt Formen unterscheiden, matt schimmernde Bilderrahmen, kaum sichtbar blinkende Gefäße aus Glas und Metall. An der Decke hingen die Schatten von ausgestopften Fabeltieren, aus den Bilderrahmen heraus folgten gemalte Augen ihrem Vordringen. Vage Rechtecke flimmerten und schwebten voraus in der Luft; nach ein paar Herzschlägen wurde ihr klar, dass es Fenster waren, die von innen mit Läden verrammelt waren. An den Rändern der Läden drang das schwache Licht von draußen herein und zeichnete in der Finsternis der Wunderkammer trübe geometrische Linien.
    Samuel packte sie am Arm und zog sie

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