Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
nicht in einer Viertelstunde zurück sind, schneidest du ihm den Hals durch und blockierst mit seinem Körper den Zugang.«
Alfred nickte. Der Dienstbote begann zu zittern. Samuel warf einen letzten Blick umher, dann schlüpfte er lautlos zu der offenen Tür hinein. Als Ebba ihm folgte, sah sie, wie Alfred dem Dienstboten zuzwinkerte und beruhigend den Kopf schüttelte. Dann umfing sie die Dunkelheit eines weiten Gewölbes, in dem es selbst Nacht sein würde, wenn draußen der helle Tag anbrach. Die Tür klickte hinter ihr leise ins Schloss, und die Finsternis war vollkommen. Orientierungslosigkeit schoss so schnell in ihr hoch, dass ihr der Atem stockte.
»Pst! Hier!«
Sie hörte ein metallisches Scharren und sah das kurze Aufleuchten eines Lichtkeils. Sie blendete ihre Laterne auf, um den Weg zu Samuels Versteck zu finden. Der Boden knarrte leise. Ihr schien, als seien sie unversehens in eine riesige Höhle eingedrungen. Es gab keinen Zweifel, dass sie die Wunderkammer gefunden hatten. In ihren Eingeweiden fühlte sie das gleiche ungute, hohle Vibrieren, das sie auch im Stollen unterhalb des Klosters in Braunau empfunden hatte, den Wunsch, weit weg von hier zu sein und ebenso dieselbe unwiderstehliche Anziehung, die gleiche düstere Vorahnung, dass sie dabei war, einen Fehler zu begehen. Wenn sie nur gewusst hätte, ob der Fehler darin bestand, der Anziehungskraft zu erliegen oder dem Wunsch stattzugeben, sofort zu fliehen! Was sie noch sicherer machte als ihre eigenen Gefühle, dass sie hier richtig waren, war Samuels Verhalten. Er schien nicht einen Herzschlag lang daran zu zweifeln, dass sie den ehemaligen Hort von Kaiser Rudolfs düsteren Schätzen gefunden hatten, und Ebba hatte gelernt, dass man seinem Gefühl auf jeden Fall trauen konnte. Sie sah seine Laterne kurz aufleuchten und war überrascht, wie nahe sie ihm bereits gekommen war, da packte seine Hand sie auch schon und zog sie nach unten. Sie kauerte sich neben ihn und tastete umher. Unter ihrer Hand war der kühle, raue Stein einer Säule.
»Alles klar?«, wisperte er. Sie fühlte seinen Atem im Ohr und roch sein durchgeschwitztes Zeug. Ihr war klar, dass sie nicht viel besser duftete. Seine Nähe und das Kitzeln seines Atems waren gleichzeitig beruhigend und auf vage Weise erregend … und als sie diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, blitzte eine der vielen Erinnerungen an Königin Kristina auf … sie lagen nebeneinander im Bett, Kristina presste sich an Ebbas Rücken und wisperte ihr Zärtlichkeiten ins Ohr, während ihre Hände auf Ebbas Brüsten und in ihrem Schoß ihre zärtliche Liebesarbeit verrichteten …
»Was ist?«, zischte Samuel.
»Nichts«, log sie. »Nichts. Eine Gans ist über mein Grab gelaufen.« Erbittert dachte sie, dass dies der letzte Beweis war, wenn sie einen brauchte, dass dieses Gewölbe mit der Teufelsbibel in Berührung gekommen war – die Erinnerung an Kristinas Liebe hatte sie plötzlich mit Ekel erfüllt. Sie wünschte sich, die Dunkelheit verscheuchen zu können. Sin lumine pereo , dachte sie. Die Beschwörung der Sonnenuhr: Ohne Licht bin ich verloren.
Samuel horchte in die Dunkelheit. »Wenn da jemand wäre, hätte er uns schon längst die halbe Waffenkammer um die Ohren gehauen«, flüsterte er schließlich. »Sehen wir uns mal um.«
Sie hörte, wie die Abdeckung seiner Laterne zurückschnappte. Der trübe Lichtkeil versickerte in der Dunkelheit, dann traf er auf etwas.
»Ein Schrank«, flüsterte Ebba. Sie wusste nicht, warum sie weiterhin die Stimmen gedämpft hielten, aber es schien angebracht.
»Eher eine Art Regal.« Samuels Lichtschein wanderte weiter. »Und da ist noch eines. Und da … und da … was ist denn das …?«
Sie sah den gelben Schimmer auf etwas tanzen, das sich im ersten Moment ihrem Verständnis entzog, nicht weil dasLicht zu schwach gewesen wäre (das war es), sondern weil der Anblick an sich … Sie klappte unwillkürlich ihre Laterne auf und leuchtete in die gleiche Richtung.
»O mein Gott!« Der Deckel ihrer Laterne schnappte zurück. Das Abbild tanzte in Fehlfarben vor ihren Augen. Sie hörte ihren eigenen Atem.
»Es ist nur ein Bild«, sagte Samuel.
Ebba öffnete die Blende ihrer Laterne und richtete sie auf das vorherige Ziel, das im ruhigen Licht von Samuels Laterne schimmerte. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr eigener Lichtkreis zitterte. Dann holte sie Atem und ließ den Lichtstrahl weiterwandern. »Und es hat Gesellschaft«, sagte sie grimmig.
»So etwas gibt
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