Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
Vom Netzwerk:
dem Giel machen, als wär’ dein Schwanz ’n Gitzlin!«
    »Un’ wir wer’n hier kandirt wie Weißhulme un’ könn’ dem Gugelfranzen hinterherlaufen, bis er sein Geschäft erledigt hat. Scheiße!«
    Der Anführer der Dragoner stapfte herein, ein Hauptmann mit einer Narbe, die sich quer über das Gesicht zog. »Hört auf zu juverbossen, man hört euch quer über’n Terich!«, schnauzte er. »Du, du, du und du – erste Wache. Alcht euch!«
    Der Mann mit der Puppe in der Hand stand auf. Er war einer derjenigen, die der Hauptmann zur Wache eingeteilt hatte. Er fühlte den Zorn darauf, dass sie bei der Erstürmung Prags nicht dabei sein konnten, nicht so sehr wie seine Kameraden. Deren Leben als Soldaten drehte sich darum, Beute zu machen. Er selbst war aus einem anderen Grund Soldat geworden; er hatte sich anwerben lassen, weil es der einzige Ausweg schien, dem eigenen Hungertod zu entgehen und seiner Familie einen weiteren Esser zu ersparen. So wie er hatten insgesamt neun junge Männer gedacht, als der Krieg vor einem Jahr durch ihr Dorf gekommen war. Er war als Einziger noch übrig. Wenn der Befehl (der direkt von General Königsmarck gekommen war), einen ganz bestimmten Jesuiten unbemerkt zu verfolgen und ihm ein bisschen auf die Finger zu sehen, weil der General ihn zwar als Verbündeten betrachtete, ihm aber misstraute – wenn dieser Befehl dafür sorgte, dass er und seine Kameraden nicht mit gezücktem Degen gegen eine Stadt anrennen mussten, deren Verteidiger nichts zu verlieren hatten und sich mit Zähnen und Klauen zur Wehr setzen würden … nun, dann umso besser. Die anderen dachten an Beute; er dachte daran, wieder nach Hause zurückzukehren. Das armselige Leben in ihrem mehrfach geplünderten und von Krankheiten heimgesuchten Dorf war ihm immer als Hölleerschienen; da hatte er die Hölle noch nicht gekannt, die das Soldatenleben bedeutete.
    Einen Augenblick zögerte er mit der Puppe in der Hand, weil sie ihn zu sehr an zu Hause erinnerte; dann warf er sie ins Feuer und stapfte hinaus.
    Die Puppe blieb in den Flammen liegen, und nach ein paar Augenblicken fing ihr Kleid Feuer, dann ihr Haar, dann brannte der ganze alte Puppenleib und wurde eins mit der Glut, an der die Soldaten sich die Hände wärmten.

9.
    Melchior hatte sich vorsichtig vorwärtsbewegt, und er hatte gut daran getan. Wie vermutet hatten es die Soldaten, die Andreas und seine Familie wegbrachten, nicht besonders eilig gehabt. Der Soldat, das hatte schon Tilly, der Schlächter von Magdeburg, gesagt, muss etwas haben für seine Mühe. Was man meistens haben konnte, war ein sich verzweifelt wehrendes Opfer, das man in einer Gasse zu Boden riss, ihm die Kleider vom Leib fetzte, darauf einschlug, bis es halb besinnungslos die Beine öffnete, oder ihm gleich den Dolch in die Seite rannte, sodass der verblutende Körper nicht mehr genug Kraft hatte, sich zu wehren, und dann … das Geld und die Preziosen bekamen ohnehin meistens die Offiziere. Warum sollte man sich also beeilen, sich dem Sturm auf Prag anzuschließen, wenn man mit weitaus geringerer Mühe das Gleiche hier haben konnte (und nur durch sechs teilen musste), nämlich eine Gefangene und ihre Tochter? Es kam ja ohnehin nur auf den Kerl an, wenn man richtig verstanden hatte, weil dieser eher als die Weiber wusste, wo man die Stadtmauer am einfachsten durchbrechen konnte … Melchior schüttelte sich. Es hatte ihn vorwärtsgedrängt, und zugleich hatte er zu vermeiden versucht, den Soldaten unversehensin die Arme zu laufen. Er war die einzige Hoffnung, die Andreas, Karina und Lýdie hatten.
    Sie hatten den Wagen in einen der Holzverschläge gefahren, in denen im Sommer und Herbst das Heu gelagert wurde. Von außen war er nicht sichtbar. Auch die Spuren der Räder waren schlecht zu erkennen, weil der Boden auf und neben der Straße zerpflügt war von Pferdehufen. Der Schuppen hatte ein Tor, das weit genug war, um einen Wagen durchzulassen; sie hatten es halb zugezogen und einen Mann mit einer Muskete im Halbdunkel dahinter postiert.
    Hätte Melchior seinem innerlichen Drängen nachgegeben und wäre einfach die Straße entlanggeprescht, hätten sie ihn vom Pferd schießen können, noch bevor er merkte, was geschehen war. So aber hatte er oben auf der Hügelkuppe angehalten und den weiteren Verlauf der Straße gemustert und gesehen, dass die Radspuren des Wagens direkt in den Schuppen führten.
    Von vorn hätte man sich dem Schuppen nicht nähern können; von hinten war es beinahe

Weitere Kostenlose Bücher