Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
einfach. Die Männer waren Soldaten, aber sie hielten sich für unangreif bar und hatten auf eine Rundumsicherung verzichtet. Melchior lag im Schneematsch zwischen den verrottenden Ästen und den Überresten alter Fässer, die auf der Rückseite des Schuppens langsam in den Boden sanken. Die alten Bretter boten genügend Spalten, durch die man spähen konnte. Melchior hielt den Griff seines Rapiers umklammert, dass die Knöchel hervortraten, und machte sich bereit einzugreifen, obwohl er wusste, dass es in dieser Situation Selbstmord war und dies niemandem nützen würde. Er würde es dennoch tun.
Sie machten sich daran, Karina zu vergewaltigen.
Zwei Soldaten kauerten neben ihr und hielten sie fest. Zwei weitere hielten Andreas fest. Der große, schwere Mann kämpfte um seine Freiheit, sodass er und seine Bezwinger hin und her taumelten. Was er zu rufen versuchte, konnteman nicht hören, weil sie ihm einen Knebel in den Mund geschoben hatten. Seine Augen tränten, und sein Gesicht war dunkelrot. Lýdie hockte in einer Ecke und kauerte sich an die Wand, zitternd, mit weit aufgerissenen Augen. Der sechste Soldat war der mit der Muskete, der nach draußen sicherte. Der fünfte, anscheinend der Anführer, kniete vor Karina, grinste über das ganze Gesicht und zupfte an dem Knebel, der in ihrem Mund steckte. Mit der anderen Hand riss er genüsslich einen Knopf nach dem anderen von ihrem Mieder. Es waren teure Knöpfe, es waren viele, und der Soldat hatte es nicht eilig, aber in den nächsten Augenblicken würde das Mieder am Dekolleté auseinanderklaffen, und dann würde er seine Pfote hineinschieben und seine Krallen in ihre Brüste schlagen.
»Ich nehm dir den Knebel raus«, sagte der Soldat beinahe sanft. »Dein Mund soll auch was zu tun kriegen. Aber schreien soll er nich’, dein Mund, hast du gehört, weil ich sonst, bevor ich’s dir mache, deine Kleine dort drüben vor deinen Augen ficke, und zwar damit.« Er machte eine Kopf bewegung zu der blanken Klinge seines Rapiers, das neben ihm auf dem Boden lag. Karinas Augen waren ebenso blutunterlaufen wie die Andreas’, während sie ihn anstarrte, doch im Gegensatz zu ihrem Mann war sie leichenblass. Der Soldat fasste sich in den Schritt und grinste. »Da«, sagte er. »Der is’ für dich. Aaaah … darauf wart ich schon seit Würzburg. Also, abgemacht – ich nehm den Knebel raus, und dann fangen wir an …«
Melchior spannte sich, da ließ Andreas sich auf einmal nach vorn fallen. Die beiden Männer, die ihn hielten, wurden davon überrascht und stolperten. Andreas warf sich zur Seite, einer der beiden wurde von der Drehung mitgerissen und taumelte über Andreas’ Beine, und Andreas fiel auf ihn mit einer letzten Drehung, mit der er dem Soldaten die Schulter in den Leib rannte. Dem Soldaten wurde die Luftaus den Lungen gepresst. Andreas sprang auf und fiel mehr auf Karina und ihre Peiniger zu, als dass er gerannt wäre. Sein zweiter Bewacher kriegte ihn zu fassen, noch während sich sein Kumpan mit verzerrtem Gesicht auf dem Boden zusammenrollte. Er zerrte Andreas herum und versetzte ihm einen Faustschlag. Mehr sah Melchior nicht, weil er ebenfalls aufgesprungen war und den Fuß hob, um die Rückwand einzutreten.
Der schrille Pfiff des Soldaten am Ausgang erreichte ihn gleichzeitig mit dem Geräusch von galoppierenden Pferden. Das Hufgetrappel hielt vor dem Schuppen an. Die Geräusche drin waren erstorben. Melchior presste das Gesicht an eine Spalte. Die Soldaten im Schuppen starrten alle zur Toröffnung. Der Musketier trat einen Schritt zurück, den Gewehrlauf gesenkt. Derjenige, auf den sich Andreas hatte fallen lassen, rappelte sich stöhnend auf. Der andere kniete auf dem gefällten Andreas, eine Faust immer noch erhoben. Schatten bewegten sich vor dem Tor, dann wurde es aufgestoßen, und mehrere Männer mit Hüten, Hutfedern und dem entschlossenen Auftreten junger Offiziere platzten herein.
»Was ist denn hier los?«, schnarrte einer der Neuankömmlinge. »Meldung, ihr verfluchten Kerls!«
Der Anführer der Soldaten stand langsam auf und wandte sich den Neuankömmlingen zu. Deren Blicke fielen auf seinen Schritt. Er drehte Melchior den Rücken zu, doch diesem war klar, dass der Soldat noch nicht einmal seinen Hosenschlitz zugeknöpft hatte.
»Wer will’n das wissen?«, fragte er.
Der Offizier trat vor ihn hin und bekam schmale Augen.
»Was ist das für eine Insubordination?«, bellte er. »Bedeck Er sich gefälligst, die Sau! Nenn Er seinen
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