Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
dar.«
»Es ist ohne Belang. Ich habe Alexandra aus dem Spiel genommen, das ist alles, was zählt. Was immer du mir an den Kopf wirfst, es rührt mich nicht.«
»Du wirst nicht glücklich werden«, sagte sie. »In dir sind Abt Martin und Bruder Pavel von den Kustoden wiederauferstanden, aber auch sie sind nicht glücklich geworden. Wie sie versuchst du zu morden und sagst dir, alles geschähe nur zum Besten der Welt, aber in Wahrheit bist du es, der auf die Stimme der Teufelsbibel hört, und nicht ich.«
»Ich habe nicht vor zu töten«, sagte Pater Silvicola. »Ich werde auslöschen. Ich habe von Bruder Pavel gehört … und von Abt Martin. Ich kenne sie besser, als du sie je gekannt hast. Sie haben nicht weit genug gedacht. Wenn die Flammen um dich und die Teufelsbibel herum auflodern, Agnes Khlesl, werde ich neben dir auf dem Scheiterhaufen stehen, und das Feuer wird uns alle drei verzehren.«
Agnes starrte ihn an.
»Ich lebe seit sechzehn Jahren mit geborgter Zeit, Agnes Khlesl. Du hast dein ganzes Leben geborgt. Ich werde diesem ein Ende setzen.«
»Du bist dir deiner Sache zu sicher«, sagte Agnes.
»Niemand wird dir helfen, Agnes«, flüsterte Pater Silvicola. »Keiner ahnt, wo du bist. Du bist ganz allein …«
Agnes stieg in den Wagen, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen. Er dachte, gut geplant zu haben, aber er hatte sich selbst ausgetrickst. Wo immer er sich seine Informationen zusammengesammelt hatte, er hatte es gründlich getan, und wo er hatte Rückschlüsse ziehen müssen, waren sie glasklargewesen. Zu klar. Es stimmte, dass in Prag nur noch die Kopie der Teufelsbibel lag, aber es war falsch, das Original in Podlaschitz zu vermuten. Es wäre der Ort gewesen, an dem sie und Cyprian und Andrej die echte Teufelsbibel versteckt hätten, wenn es Raigern nicht gegeben hätte. Wenn es Wenzel nicht gegeben hätte. Die Teufelsbibel war vor Pater Silvicolas Zugriff sicher, ganz gleich, was er wirklich damit vorhatte. Seine Mission war Wahnsinn, doch der Wahnsinn würde in Podlaschitz enden. Die Teufelsbibel würde auch weiterhin sicher bleiben, weil sie Alexandra verraten hatte, dass der Codex in Raigern war. Sie und Wenzel konnten ihn jederzeit von dort wegbringen und ein neues Versteck finden, das nur sie kannten. Andreas und seine Familie waren in den Händen der Soldaten, aber wenn Melchior (und das Medaillon, das ihr der Ordenskomtur in Eger zugespielt hatte, bewies es) sich in der Nähe herumtrieb, dann hatte er mitbekommen, was geschehen war. Melchior war ein findiger Bursche; er würde es bis nach Prag hinein schaffen, und dort waren Cyprian und Andrej, und zu dritt konnten sie etwas aushecken, um Andreas, Karina und Lýdie zu retten. Die Familie war noch nicht verloren, egal, was Pater Silvicola erzählt hatte.
Blieb nur noch sie – das Kind der Teufelsbibel. Sie hatte gehofft, die Worte des Jesuiten von sich fernhalten zu können, aber jetzt, in der kalten Gruft des Wagens, erkannte sie, dass jedes einzelne wie ein Giftpfeil ihre Seele getroffen hatte. Das Schlimmste war, dass sie Zweifel in ihr geweckt hatten; Zweifel, ob sie nicht vielleicht zutrafen. Der alte Kardinal Khlesl, später Cyprian und Andrej, auch Wenzel … sie alle hatten versucht, das teuflische Ding zu verstehen, das sie hüteten, und hatten in seiner Vergangenheit herumgestochert. Sie hatten nichts gefunden. Es war geschaffen worden, es hatte Staunen hervorgerufen, dann Ehrfurcht, dann Furcht … und dann war es in den langen Schlaf des Vergessens gefallen,aus dem es geweckt worden war, weil ihr leiblicher Vater, der alte Abenteurer, auf die Suche danach gegangen war. Aber waren es die Bemühungen des alten Langenfels gewesen, die den tiefen Schlaf des Teufelsvermächtnisses beendet hatten, oder das dünne Schreien eines Kindes, das mit dem letzten Atemzug aus einem halb zerstückelten Körper herausgepresst worden war?
Sie starrte blicklos in die Dunkelheit des Wageninneren. Schatten zuckten darin. Sie kamen vom Licht des Feuers, an dem Pater Silvicola sich wärmte. So musste das Feuer der Hölle aussehen – kein Licht, keine Wärme, nur tanzende Finsternis und das Wissen, dass die Aufschrift auf dem Höllentor gerechtfertigt war: Die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren!
Verzweiflung regte sich in ihr, so sehr sie sich auch dagegen wehrte. Ihr ganzes Leben war auf die eine oder andere Weise von der Teufelsbibel bestimmt gewesen, und sie … sie war nicht um ein Jota näher an das Verständnis des Buches
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