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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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herangekommen als damals, als ihre Seele in einem Säugling erwacht war, der greinend in Blut und Schneematsch in einem Klosterhof lag. Sie hatte dieses ganze Leben unbewusst dem Ziel gewidmet, dem Grauen ihrer Geburt die Geborgenheit eines Lebens voller Liebe entgegenzusetzen. Hätte sie nicht eher versuchen sollen, das Geheimnis des Codex zu ergründen? Sie hatte Kardinal Khlesl und Cyprian geglaubt, dass die Teufelsbibel auch die Unschuldigen verführte, wenn man sich auf sie einließ. Hatten sie unrecht gehabt? War Pater Silvicola nicht der Beweis dafür, so wie es ganz zu Anfang auch Abt Martin und Bruder Pavel gewesen waren? Sie hatten die Teufelsbibel nicht gewollt, sie hatten ihr Erwachen gefürchtet, sie hatten die Welt vor ihr schützen wollen – und hatten unsägliche Verbrechen begangen.
    Plötzlich war ihr, als blitze ein Funke Verständnis in ihr auf. Wenn Pater Silvicolas Worte die Wahrheit waren, wenner unbewusst erkannt hatte, wonach sie und ihre Familie all die Jahre versäumt hatten zu suchen … wenn ihre Geburt tatsächlich mit dem unheiligen Codex verknüpft war … wenn sie, Agnes Khlesl, der Schlüssel zu seinem Verständnis war … was besagte es dann?
    Agnes stöhnte, als sie merkte, dass der Funke wieder verlosch. Sie ließ sich in das Polster sinken und hüllte sich in ihren Mantel ein, krümmte sich auf der Sitzbank zusammen wie ein kleines Kind und zog die Kapuze über ihren Kopf. In der Schwärze versuchte sie, sich daran zu klammern, dass die Teufelsbibel in Raigern in Sicherheit war und ihre Lieben weit weg von diesem jungen Jesuiten, der sich danach sehnte, Agnes mit ins Feuer zu nehmen, weil er dann die Qual des Feuers, das in ihm brannte, beenden konnte.
    Sie war ganz allein. Wenn es jedoch darum ging zu sterben, damit die anderen leben konnten, war das ein Preis, den sie zu zahlen bereit war. In der grauenhaften, ganz und gar hoffnungslosen Angst vor dem Tod, die jetzt von ihr Besitz ergriff, war dies ein kleiner Trost.

8.
    Ein oder zwei Reisestunden hinter der kleinen, düsteren Gruppe von Pater Silvicola saßen Dragoner um ein Feuer herum, das im Inneren eines Bauernhauses brannte. Die Soldaten hatten mit Stangen einen Teil des Stroh- und Schindeldachs aufgerissen, damit der Rauch abziehen konnte. Es störte sie nicht, dass das Haus danach unbewohnbar war; sie würden es nie mehr wiedersehen. Ob die Bauern, die hier gelebt und offenbar in Panik geflohen waren, jemals wieder zurückkommen würden, war ihnen ebenfalls egal. Die Hälfte von ihnen hatte zehn und mehr Jahre Krieg hinter sich und dabei gelernt, weder an den nächsten Tag noch an den Friedenund schon gar nicht an das eigene Überleben zu glauben. Die andere Hälfte war jung, aber die Veteranen hatten ihnen beigebracht, dass das einzige Credo des Soldaten war, zu akzeptieren, dass er bereits tot war. Wer sich damit abgefunden hatte, konnte seine Pflicht erfüllen – ohne Gnade, ohne Mitleid, ohne Reue.
    Einer der Männer hielt eine hölzerne Puppe in der Hand. Sie war ein krudes Ding, von ungeschickten Händen gefertigt, die mit einer Pflugschar besser umgehen konnten als mit einem Schnitzmesser. Die Gliedmaßen der Puppe baumelten herab; sie waren mit kurzen Schnüren am Torso befestigt. Der Kopf war ein unregelmäßiges Ei, gesichtslos; die Haare weitere Schnüre, die von mittlerweile steinhart gewordenem Baumharz auf dem Kopf festgehalten wurden. Jemand hatte die Schnüre mit Pech schwarz zu färben versucht, aber die Zeit hatte sie grau werden lassen. Die Puppe trug ein Gewand aus Stofffetzen. Es sollte anscheinend das Kleid einer Prinzessin oder einer reichen Frau darstellen. Der Soldat spielte gedankenverloren mit der Puppe herum. Sie war unter dem einen der kleinen Bettchen gelegen, die sie zerhackt hatten, um Feuerholz zu gewinnen.
    Als er aufsah, bemerkte er, dass die anderen sich anstießen und grinsten. Seine Blicke fielen von ihren spöttischen Gesichtern auf die Puppe in seinen Händen.
    »Die anderen Sündfeger bereiten sich jetz’ drauf vor, Prag zu überrennen un’ sich die Beutel mit dem Gold aus den Dofelmännertempeln vollzustopfen«, brummte einer. »Verdammter Beseff.«
    »Gar nich’ zu barlen von den Mossen«, sagte ein anderer. »Wenn die Beseffler mit dem Beutelstopfen fertig sin’, stopfen sie die Couraschen, wo sie sie erwischen. Ah, Scheiße – Prag soll voll von Wunnenbergen sein!«
    »Un’ Schreffenbethen so groß wie anderswo Difftelhäuser!«
    »Un’ Schreffen, die’s dir mit

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