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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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mühsam zurückhalten, aufzuspringen, dorthinzulaufen und zu verlangen, dass man seine Frau und Tochter herausgab.
    »Pass auf«, sagte ein dritter Soldat. »Sie hatte mal ’ne Zofe, ja? Die war uns irgendwie zugelaufen, un’ die Offiziere ham sie zum General gebracht, un’ die Gräfin hat gesagt, sie will die Moß als ihre Magd haben, aber dann hat sie nach ’ner Weile festgestellt, dass sie ’ne Dofelmännin war, un’ dann wollt’ sie sie bekehr’n, ja?«
    »Bekehren? Zum protestantischen Glauben?«
    Der Soldat wedelte ungeduldig mit der Hand wie jemand, der sich äußerst konzentriert, um einen Vortrag halbwegs verständlich zu halten, und der keinerlei Unterbrechungen gebrauchen kann. »Aber die Moß wollt’ nich’ bekehrt wer’n, weil sie sagte, sie hätt’ ja schon ’nen Glauben, un’ der wär’ bitte schön an den Papst und die Heilige Jungfrau auf der Wolke und an siebentausend Heilige und Heiliginnen, un’ sie wollt’ Ihro Gnaden ja recht treu sein und dienen, aber was andres glauben als das, was ihr der Pfarrer damals im Tempel gepredigt hat, wollt’ sie nich’.«
    »Das war’n loer Anblick«, brummte einer der Männer.
    »Was? Was hat ihr die Gräfin denn getan?«
    »Hinter ihr’m Zelt …«, sagte der Soldat. »Wir ham’s selber nich’ geseh’n, aber die anderen ham’s uns erzählt. Hinter ihr’m Zelt ham sie ’nen Pfosten in die Erde gehauen, mit ’ner Kette drum. An der Kette ham sie die Zofe angebunden. Die Gräfin sagte, dass sie jederzeit die Kette loswerden kann, wenn sie sagt, dass die Heilige Jungfrau ’ne Erfindung is’ und dass eine, die ’n Schreyling auf die Welt gebracht hat, keineWunnerberge – also keine Jungfrau – mehr sein kann, un’ dass die Heiligen eigentlich was Heidnisches sin’ un’ so weiter. Da is’ sie dann drangehangen, an der Kette, ja? ’nen ganzen Tag, ’ne ganze Nacht, noch’n Tag … un’ die ganze Zeit hat’s geregnet und geregnet. Nach der zweiten Nacht sagte die Zofe, sie würd’ jetz’ alles glauben, was auch Ihro Gnaden glaubt, aber die Gräfin hat gesagt, das kommt ihr komisch vor un’ sie denkt, dass sie lügt, un’ dann hat sie sie noch ’ne dritte Nacht dranhängen lassen, bis sie sie endlich wieder reingelassen hat.«
    »Du lieber Gott«, sagte Andreas schwach.
    »Ja, un’n paar Tage später is’ sie dann auch gestorben, weil es war ja März gewesen un’ saukalt über Nacht, un’ das hat sie am Ende doch nich’ ausgehalten.«
    »Ham die anderen jedenfalls gesagt.«
    »Un’ wisst ihr noch, wie sich die ganzen Weiber in diesem Kaff … wie hieß das noch gleich … wie sich die ganzen Weiber im Difftelhaus verbarrikadiert ham soll’n un’ gesagt ham, sie würden lieber sterben als ’nen anderen Glauben annehmen, un’ wie die Gräfin dann, so hat’s jedenfalls geheißen, ’ne Fackel …«
    »Es reicht!«, stieß Andreas hervor. »Ich will nichts mehr hören. Bitte!«
    Die Soldaten sahen ihn an und zuckten mit den Schultern. »Is’ne Schande«, sagte einer schließlich. »Ihr seid auch Dofelmänner, oder? Deine Alte un’ deine Tochter sahen ganz anständig aus. Is’ne Schande.«

14.
    Als andere Soldaten am nächsten Morgen Andreas mit Tritten aus einem unruhigen, von Albträumen geplagten Erschöpfungsschlummer weckten, stolperte er mit ihnen mit,nicht sicher, ob der böse Traum überhaupt zu Ende war. Wo kamen die Zelte her, die kleinen Feuer, die Männer, die in Reihen nebeneinanderstanden und urinierten oder sich kurzerhand auf den Boden hockten, die Hosen herunterzogen und ihre Därme entleerten? Wo war er? Das Lager sah beinahe unwirklich aus; Morgendunst und der Rauch der nassen Holzfeuer hing darüber, sodass er es wie durch einen Schleier wahrnahm. In seiner barbarischen Rustikalität wirkte es so fern von einem zivilisierten Menschen, als täte man einen Blick in eine andere Welt. Andreas starrte verwirrt umher. Und wo kam der Gestank her? Dann fiel die Erinnerung in sein Herz wie ein schwerer Stein, und er ächzte. Jetzt wusste er wieder, wo er war, und wo der Gestank herkam, wusste er auch: von ihm selbst. Die Kühe hatten sich in der Nachtkälte eng zusammengedrängt, und er hatte sich unter sie gemischt, um nicht zu erfrieren. Der Methangeruch der Kühe war überall, in seinen Kleidern, auf seiner Haut, in seiner Nase, in seinem Mund. Er wollte ausspucken, aber er bekam nicht genügend Speichel zusammen.
    Die Sorge um Karina und Lýdie beschleunigte seinen Herzschlag. Seine Bewacher und er

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