Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
der Offiziere.
»Wo ist die Canaille?«, tobte ein Mann mit rauer Stimme. »Warum sekkiert er das Volk südlich von Prag, wenn er mit seiner verlotterten Bande längst zu mir gestoßen sein sollte?«
»General Wittenberg muss fouragieren, Euer Gnaden, und außerdem verhindert er dadurch, dass keine nennenswerten Feindkräfte dort aufziehen.«
»Feindkräfte? Die Kaiserlichen haben nur noch diese Canaille von Holzapfel als General, der zerreißt kein nasses Blatt! Feindkräfte!«
»General Holzapfel hat letztes Jahr bei Triebl unsere Truppen unter General Wrangel empfindlich geschlagen.«
»Wrangel! Noch so eine Canaille! Der sorgt sich doch mehr darum, seinen tausend Neffen und Cousins die Hälse zu retten, als um den Krieg! Ich weiß, wovon ich rede, Monsieur!«
»Euer Gnaden!« Einer der Offiziere räusperte sich. Die Gruppe teilte sich, und Andreas sah einen hochgewachsenen Mann mit dunkler, teurer Kleidung, einem riesigen Hut mit wallendem Federbusch und dem groben Gesicht eines schweren Trinkers in ihrer Mitte stehen. Ihm gegenüber stand ein weiterer Offizier, dessen Kleidung schmutzbedeckt war; offenbar ein Abgesandter des Generals Wittenberg. Auch General Königsmarck war schmutzig und schlammbespritzt. Beide Männer hatten hochrote Wangen und funkelten sich an. Es war einfach, sich die Situation zusammenzureimen.Königsmarck war entweder gestern Nacht oder noch wahrscheinlicher heute morgen ins Lager zurückgekehrt, und statt der erhofften Verstärkung durch Wittenbergs Heer hatte er nur dessen Kurier mit einem Sack voller Ausreden vorgefunden.
»Und die Kanonen, Monsieur?«, tobte Königsmarck. »Wo sind die Kanonen? Ich habe nur ein paar leichte Stücke; die Kanonen, die ich aus Eger habe abziehen lassen, sind auch noch nicht eingetroffen! Was ist das für eine ungeheure désordre ! Canaillen, allesamt Canaillen!«
»Euer Gnaden … ahem …«, räusperte sich einer der Offiziere.
»Was ist denn mit Ihm, zut alors !?«
»Der Gefangene, Euer Gnaden … Sie wollten ihn sehen. Und außerdem … wenn ich etwas modération raten dürfte … die Männer …«
Der Offizier wies rundherum, und Andreas sah, dass sich hier mindestens die Hälfte von Königsmarcks kleinem Heer versammelt haben musste. Die drei Bäume standen in einer Senke, und die leichten Anhöhen rundherum waren bunt vor Soldaten, die stumm beieinanderstanden und lauschten. Andreas hörte jetzt das bekannte Murmeln eines Priesters. Er spähte zu dem Mann mit dem Strick um den Hals hinüber. Dieser stand da, die Augen weit aufgerissen und auf den General und seine Offiziere geheftet, und achtete nicht auf den grau gekleideten Pastor, der ihm aus der Bibel vorlas.
Königsmarck starrte Andreas mit zusammengezogenen Brauen an. Dann trat er ein paar hastige Schritte näher und blieb plötzlich stehen.
»Er stinkt«, sagte er. »Er stinkt nach Vieh. Was ist Er für eine Canaille? Ich dachte, Er sei einer aus dem Rat der Stadt Prag? Was schickt mir diese Canaille von Jesuiten, zut alors ?«
Andreas fühlte einen Stoß in die Rippen.
»Äh … ich bin …«, begann er.
Ein Tritt in die Kniekehle ließ ihn zusammensacken. Ehe er sich versah, kniete er vor dem General. Das Knie, das den Tritt empfangen hatte, tobte in dumpfem Schmerz.
»Jetz’ noch mal von vorn«, sagte einer seiner Bewacher.
Königsmarck zog einen seiner Handschuhe aus, und ehe jemand eine Bewegung machen konnte, klatschte er ihn dem Soldaten ins Gesicht. Der Mann taumelte überrascht zurück. Königsmarck setzte ihm nach und schlug weiter zu. Seine Hand zuckte vorwärts und rückwärts durch die Luft. Der Soldat hob beide Hände vors Gesicht, verlor seinen Hut, trampelte rücklings darüber hinweg; Königsmarck verfolgte ihn weiter, keuchend, der Handschuh klatschte, der Atem des Generals flog, von seinem Mund spritzte Speichel, er schlug und schlug und schlug … Der Soldat setzte sich auf den Hosenboden und krümmte sich dort zusammen und rief: »Quartier, Euer Gnaden, Quartier!«
Königsmarck holte erneut aus, doch dann erstarrte er. Er schwankte über dem Soldaten, schwer atmend. Langsam sank seine erhobene Hand herunter. Dann drehte er sich eckig auf dem Absatz um und stapfte zu Andreas zurück. Den zerknüllten Hut des Soldaten schoss er mit einem Tritt beiseite. Er passierte Andreas, der immer noch kniete, und dieser fühlte sich an der Schulter seines Mantels gepackt und in die Höhe gezerrt, als wöge er nichts. Der General stapfte weiter, Andreas hinter sich
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