Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Tittengrapschen!«, sagte er und grinste ihr Dekolleté an.
Wie sich herausstellte, war ein Dutzend Männer damit beschäftigt, die Kühe zu melken. Die Ausbeute war ebenso mager wie die Tiere selbst, doch die Kühe drängten sich heran, um das bisschen Milch, das sie hatten, loszuwerden. Andreas und seine Familie wurden ohne große Zeremonie eingeteilt, und zum ersten Mal, seit sie unter die Soldaten gefallen waren, machten diese keine anzüglichen Bemerkungen, sondern nahmen sie beinahe wie Kameraden auf. Der Wachtmeister, der das Umleeren der Milch beaufsichtigte, bemühte sich, in die andere Richtung zu sehen, wenn die Soldaten die euterwarme Milch in gierigen Schlucken aus den Eimern tranken oder sich direkt in den Mund spritzten. Wie es aussah, hatten die Offiziere sämtliche Milch beschlagnahmt; was man nicht direkt vor Ort für sich abzweigte, würde man nie bekommen. Andreas kniete sich vor einer Kuh nieder und zog ratlos an den Zitzen. Die Kuh schaute ihn an und stieß einen beinahe menschlichen Seufzer aus.
»Warum hast du nicht den Mund gehalten?«, flüsterte Karina, die neben ihm bei einer zweiten Kuh ebenso scheiterte.
»Weil wir hier außerhalb des Lagers und damit halbwegs sicher vor den Nachstellungen der Soldaten sind«, flüsterte Andreas. »Ich habe gehofft, dass wir zum Melken eingeteilt werden, wenn ich genügend klugscheiße. Das dauert die halbe Nacht, bis alles fertig ist. Eine halbe Nacht, in der wirin Sicherheit sind. Und den Rest der Nacht bleiben wir einfach hier zwischen den Tieren, dann können wir auch nicht erfrieren.«
»Das geht ja ganz einfach, Mama«, hörten sie Lýdies überraschte Stimme. »Halt still, du Riesenvieh, sonst wirfst du noch den Eimer um!«
Einer der Soldaten kauerte sich neben Andreas vor die Kuh. »Was is’, wird das bald was?«
»Es geht nicht«, sagte Andreas und bemühte sich um einen möglichst entschuldigenden Tonfall.
»Mann«, sagte der Soldat. »Hier – packen, kneifen, ziehen! Was is’ denn daran so schwer? Stell dich nich’ an wie ’n Voppart. Hast du noch nie ’ne Titte in der Hand gehabt?«
»Noch nie eine so große«, sagte Andreas.
Der Soldat prustete und schlug ihm auf die Schulter. Dann rappelte er sich auf und stapfte davon. Andreas versuchte, seine Handgriffe nachzuahmen. Es war, als kneife die Kuh absichtlich das Euter zusammen. Er hörte den Soldaten zu zwei anderen gehen und fing ein paar Fetzen seines Gesprächs auf: »… hab ich gesagt: Hast du noch nie ’ne Titte in der Hand gehabt? Und was sagt der Kümmerer drauf? …« Die Soldaten brüllten vor Lachen, aber es war nicht das gemeine, höhnische Lachen, das Andreas bisher stets gehört hatte, sondern … Plötzlich wusste er, dass ihnen heute Nacht von diesen Männern keine Gefahr drohen würde.
Er fing einen Seitenblick Karinas auf. Ihre Augen waren groß vor Angst, aber sie lächelte ihm zu. Er hatte das Gefühl, dass sie ihm seit Jahren nicht mehr so zugelächelt hatte. Unsicher lächelte er zurück.
Ein warmer Strahl schoss zwischen seinen Fingern hervor.
»Es klappt!«, rief er unwillkürlich. »He, es klappt!«
»Habt ihr gehört, ihr Weißhulme?«, schrie einer der Soldaten. »Der Kümmerer hat die Riesentitte bezwungen!«
Sie grölten erneut vor Lachen, und ein paar klatschten Beifall. Andreas holte vorsichtig Luft. Unvermittelt war es nicht anders als an einem der Abende, als er noch jung gewesen war und mit seinen Freunden aus Prag hinaus und zu einem der Dörfer geritten war, wo das Johannisfeuer brannte. Sie hatten sich vorgenommen, mit ihrem eleganten städtischen Auftreten eine Dorfschönheit nach der anderen herumzukriegen, aber am Ende waren sie nur abseits am Feuer gesessen, die stumm warnenden Blicke der Dorf burschen richtig deutend, und hatten sich betrunken und mit den Dörflern gutmütigen Spott ausgetauscht. Das Schöne daran war, dass es bewies, dass auch feindliche Soldaten irgendwie nur Menschen waren. Das Schlimme daran war ebenso, dass es bewies, dass auch feindliche Soldaten irgendwie nur Menschen waren, denn es würde der Tag kommen, an dem man sie töten musste.
Nach einer Weile arbeiteten sie mit den Soldaten Hand in Hand, bis der Wachtmeister kam und sie aus der Herde herauswinkte. Sie folgten ihm. In Andreas kroch erneut die Angst hoch; dann sah er drei Frauen außerhalb des Pferchs stehen. Der Wachtmeister brachte sie zu ihnen.
»Das sin’ die Gefangenen, Euer Gnaden«, sagte er und zog den Hut.
Die drei Frauen waren in
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