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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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herzerrend, bis er wieder inmitten seiner Offiziere stand. Die Offiziere blickten demonstrativ in alle möglichen Richtungen, nur nicht dorthin, wo der geschlagene Soldat immer noch auf dem Boden lag. Königsmarck ließ Andreas los und starrte ihm ins Gesicht. Die Augen des Generals waren blutunterlaufen, seine Gesichtshaut fleckig. Der Bart war mit grauen Strähnen durchschossen und struppig. Königsmarck hob eine Hand – Andreas zuckte zusammen –, doch der General glättete nur die Schulter von Andreas’ Mantel.
    »Er entschuldigt die Grobheit des Viehs dort«, sagte der General rau. »Er ist doch ein Ratsherr der Stadt Prag, nicht wahr? Der Jesuit ist immer äußerst zuverlässig. Wo hat Er genächtigt, dass Er so stinkt? Parbleu! «
    Der Gedanke zuckte durch Andreas’ Hirn, sein Amt zu leugnen. Doch er hatte eine genaue Vorstellung davon, was der General von ihm wollte, und wenn er angab, keine Ahnung zu haben, würde man entweder ihn foltern oder – noch schlimmer – Karina und Lýdie, und dann …
    »Wo, zum Teufel, sind meine Frau und meine Tochter?«, platzte er heraus.
    Der General zog eine Augenbraue in die Höhe. Ein Augenlid begann zu zucken. »Wie bitte!?«
    »Mit Verlaub, Euer Gnaden, mit Verlaub … ich bin Ratsherr Khlesl aus Prag, und meine Frau und meine Tochter sind zusammen mit mir hierhergebracht worden, und ich weiß nicht, wie es ihnen geht.«
    Der General neigte den Kopf und lauschte einem der Offiziere, der ihm etwas ins Ohr flüsterte. Andreas erkannte den Mann, der sie im Schuppen neben der Straße vor dem Korporal und seinen Männern gerettet hatte. Der General setzte ein Lächeln auf, das kaum weniger gänsehauterregend war als das seiner Frau.
    »Die Gräfin kümmert sich um sie«, sagte er. »Er verzeiht, dass am Anfang niemand Ihm und Seiner Familie die nötige Gastfreundschaft gewidmet hat. Der Krieg und alles … il comprend, n’est-ce pas !«
    »Ich … ich danke …«, würgte Andreas hervor.
    »Ja, ja, diese Canaille Krieg.« Der General seufzte. Unvermittelt stieß er Andreas einen Finger so hart in die Brust, dass dieser ächzte. »Er weiß, dass seine Stadt verloren ist.«
    »Ich … ich …«
    »Sie ist verloren«, sagte der General. »Es liegt in Seiner Hand, ob ein neues Magdeburg daraus wird.«
    »Aber … wie bitte …!?«
    »Magdeburg, Mann! Hat Er nichts von Magdeburg gehört?«
    »Doch, Euer Gnaden, aber …«
    »Magdeburg hat sich verteidigt. Magdeburg hat das Heer nicht hereinlassen wollen. Die Magdeburger waren Canaillen. Wer im Krieg eine Canaille ist, ist bald eine tote Canaille. Zwanzigtausend tote Canaillen in Magdeburg … will Er das in Prag erneut erleben?«
    »Aber, Euer Gnaden … Magdeburg war eine protestantische Stadt. Das kaiserliche Heer hat sie dem Erdboden gleichgemacht. Wollen Sie sich tatsächlich mit den Gräueltaten des kaiserlichen Heers gleichsetzen?«
    Königsmarck sah ihn an, als zweifle er entweder an seinem eigenen oder Andreas’ Verstand. »Was hat das damit zu tun? La guerre est la guerre … et la mort est la mort … ne comprend pas?«
    »Aber …«
    Königsmarck machte eine herrische Handbewegung. »Er ist ein vernünftiger Mann. Er will nicht, dass Prag brennt und tote Kinder in den Gassen liegen. Er wird uns sagen, wo die Mauer am schwächsten ist und wir ohne große Verluste eindringen können.«
    Andreas sprach, und voller Überraschung hörte er sich selbst reden: »Euer Gnaden … Sie sind ein Ehrenmann. Ich bin auch einer. Was würden Sie von mir denken, wenn ich meine Heimatstadt verraten würde? Als ein Ehrenmann zum anderen spreche ich zu Ihnen: Bekriegen Sie Prag, wenn Sie müssen, besiegen Sie uns, wenn das unser Schicksal ist – aber erringen Sie den Sieg nicht durch Verrat. Sie wollen doch nicht in eine Linie gestellt werden mit Herrschaften wie Feldmarschall Tilly oder dem Herzog von Friedland.«
    Er sah, wie Königsmarcks Offiziere die Augen aufrissen und den Atem anhielten. Königsmarck starrte ihn an. Dannschüttelte er den Kopf; starrte Andreas erneut an. Öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
    Ich habe ihn an seinem wunden Punkt erwischt , dachte Andreas ungläubig. Der General räusperte sich und schüttelte erneut den Kopf.
    »Nein«, sagte er, »nein. Mit denen will ich nicht in einer Linie stehen.«
    Andreas wollte etwas erwidern, doch der General brachte sein Gesicht ganz nahe an seines heran. »Ehrenmänner, Er und ich, eh?«
    Königsmarck wandte sich abrupt ab und stieß eine Faust in die Luft.

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