Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Aggression zu schützen.«
Die Königin lächelte Ebbas Spiegelbild ohne wirkliches Amüsement an. »Du enttäuschst mich, meine Belle.«
Ebba schnaubte. »Also gut, er ist den Krieg gezogen, um für die Konflikte zwischen dem Adel und dem Bürgertum hier in unserem Land ein Ventil zu finden und um Schweden die Hoheit über die Ostsee zu sichern.«
»Wie immer liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen«, seufzte Kristina. »Aber ich bin froh … einen Moment dachte ich, deine Reise ins Reich hätte eine naive Seite in dir eröffnet, die ich gar nicht kenne.«
»Nun, ich sehe eine Seite meiner Königin, die ich nicht kenne.«
Kristina machte sich frei und rückte ein Stück von Ebba ab. Dann wandte sie sich ihr zu. »Was siehst du?«
Ebba war einen Moment lang versucht, die steigende Unruhe in ihrem Herzen mit einem leichten Spruch abzutun. Kristina war splitternackt – eine zweideutige Bemerkung, ein Blinzeln, und das Gespräch wäre vielleicht aufs Neue in ein anderes Fahrwasser geraten. Doch Ebba spürte, dass es Kristina ernst war.
»Ich sehe die Frau, die die erste Zeitung in Schweden eingeführt hat. Ich sehe die Frau, die mit Philosophen korrespondiert und deren Freundschaft sich die intelligentesten Männer rühmen, die bei den Fürsten der Welt in diplomatischen Diensten stehen. Ich sehe die Frau, die sich die Meldungen über die Friedensverhandlungen in Münster nicht nur vorlegen lässt, sondern auch noch einen Spion«, sie lächelte schwach und deutete auf sich, »dorthin schickt, um herauszufinden, weshalb die Gespräche nicht vorangehen. Ich sehe die Frau, die mehr über die Religionen der Welt nachgelesen hat, als der Papst jemals wissen wird.«
»Etwas fehlt noch.«
Ebba zog eine Braue hoch. »Was?«
»Du siehst eine Regentin, die erkennt, dass ihr Reich in geistigen Dingen dreihundert Jahre hinter Europa herhinkt. Schweden ist eine riesige Schafweide voller besonders tumber Schafe, und nur die Hirten sind noch tumber. Weißt du, dass von zehn Baronen, die mein Vater ernannt hat, acht nicht lesen und schreiben können und die restlichen zwei überzeugt sind, dass man in eine andere Welt gerät, wenn man aus Versehen in einen Ring aus Pilzen tritt? Und dass die Bischöfe und Pastoren darüber diskutieren, ob auf schwedischen Handelsschiffen nicht besser ausländische Matrosen anheuern sollten, damit die eigenen Landeskinder nicht ständig den Sünden in den Hafenstädten ausgesetzt sind?«
Ebba lachte humorlos. »Du solltest sie ins Reich schicken – nach Bayern, nach Franken, wohin du willst. Dann können sie sehen, dass die schwedischen Soldaten nicht nur gut mit Sünden umgehen können, sondern ständig neue dazu erfinden. ›Der Schwed’ kommt‹ ist ein Begriff für das absolute Grauen, das sich nähert.«
»Die Kaiserlichen sind doch auch nicht besser!«
»Die Kaiserlichen sind nicht mit dem Anspruch angetreten, das Leben der Menschen im Reich zu retten.«
» Ich werde das Reich retten, ich!«, rief Kristina plötzlich. »Ob mein Vater nun in erster Linie das wirtschaftliche Wohl Schwedens im Auge hatte oder nicht, irgendwo in seinem Kriegerherzen trug er auch den Wunsch, das Reich tatsächlich zu neuer Größe zu führen. Er hat mich stets über alles geliebt, und ich weiß, dass er noch in seiner Todesstunde gehofft hat, ich möge seine Vision fortführen.«
»Kristina«, sagte Ebba vorsichtig. »Mein Herz, meine Liebste, meine Königin … du lebst dein Leben nicht, um die Wünsche eines Toten zu erfüllen.«
»Es ist doch auch mein Wunsch, Belle! Als ich vorhin sagte, Schweden sei um dreihundert Jahre hinter dem Reich zurück, habe ich das zugleich als Chance gemeint. Schweden ist nicht wie das restliche Europa dreihundert Jahre lang in eine Sackgasse gerannt. Die Schafherde mag tumb sein, doch ihr Blut ist noch frisch. Schweden ist das einzige Land, das in diesem Krieg nicht nur Männer, Frauen und Kinder verloren hat, sondern einen König. Dieser Verlust darf nicht umsonst gewesen sein.«
»Was willst du denn tun?«
»Um das Reich zu retten, braucht es entweder den Kaiser oder den Papst. Dem Kaiser geht es nur darum, den Reichtum seiner Dynastie zu erhalten. Also brauche ich den Papst.«
»Papst Innozenz geht es nur darum, die Kasse seiner Schwägerin zu füllen, was man so hört.«
»Päpste sind alte Männer. Man kann abwarten, bis ein neuer ans Ruder kommt.«
Ebba hielt inne und betrachtete Kristinas Gesicht. Auch auf ihren Wangen waren nun rote Flecken, die großen
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