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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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beiseite. Der Kopf des Kindes baumelte lose nach hinten; die Augen sahen immer noch ins Leere, aber nun waren sie stumpf. Alexandras Hand begann zu zittern. Der Mann hob den einen Arm, mit dem er das Kind hielt, und der Kopf glitt an seine Brust; es sah aus, als hielte er eine Schlafende.
    »Aber sie war doch eben noch …«, begann Alexandra.
    »Der Lebensfunke glomm nur noch schwach«, sagte der Mann beinahe sanft.
    »Ist sie … ist sie … ist sie Ihre Tochter?«
    Der Mann schüttelte den Kopf und kniff die Lippen zusammen. Dann hob er den Blick und ließ ihn über die Ruinenlandschaft schweifen, als wollte er erwidern: Dennoch sind wir alle eine Familie hier, eine Familie der Geister und verlorenen Seelen. Er setzte an, etwas zu sagen, hielt jedoch inne, als die Tür aufgestoßen wurde. Die Mutter stolperte heraus.
    »Was hat sie gesagt?«, stammelte sie. »Sie kann sie doch heilen, oder?« Ihre Blicke fielen auf Alexandra, und sie packte sie an den Armen. »Du kannst sie doch heilen, oder? Dazu bist du doch gekommen? Du kannst sie heilen?«
    »Es ist zu …«, sagte Alexandra.
    »Sie ist gegangen«, sagte der Mann. »Sie hat uns verlassen. Sie hat es besser, wo sie jetzt ist. Diese Welt kann ihr nicht mehr wehtun.«
    »Aber sie kann sie heilen!«, schrie die Frau auf.
    Alexandra schloss die Augen. Langsam schüttelte sie den Kopf.
    »Du kannst sie heilen«, keuchte die Frau. »Du hast gesagt, du kannst sie heilen.« Ihre Knie gaben nach, und sie sackte vor Alexandra auf den Boden. Ihre Arme klammerten sich um Alexandras Beine. Sie warf den Kopf zurück. »Du musst sie heilen!« , heulte sie in die Nacht. »Sie ist alles, was ich habe! Wie sollte ich leben ohne sie?
    »Sei still«, sagte der Mann. »Sonst kommen die Soldaten …«
    »Zu spät«, sagte Agnes und wischte sich ein paar Tränen ab. Sie stellte sich dicht neben Alexandra.
    Eine Handvoll der Männer, die das nahe gelegene Tor bewacht hatten, rannten herbei. Sie hatten Partisanen in den Händen, ihr Wachführer hatte sein Rapier gezogen. Der Mann mit dem toten Kind auf dem Arm stöhnte entsetzt.
    »Was ist hier los?«
    »Jemand ist gestorben«, sagte Agnes.
    Der Wachführer musterte die unselige Gruppe; seine Blicke blieben an der Mutter des toten Kindes hängen, die vor Alexandras Füßen endgültig zusammengebrochen war. Ihr Weinen klang, als würde es mit Klingen aus ihrem Herzen geschnitten.
    »Hört sich nicht tot an«, sagte der Wachführer.
    Alexandra fasste zu dem Lumpenbündel auf den Armendes Mannes und schlug den Fetzen zurück, der das Gesichtchen verhüllt hatte. Wut stieg so schnell in ihr auf, dass ihre Wangen schon brannten, während noch die letzten Tränen aus ihren Augen quollen. »Da!«, sagte sie.
    Der Wachführer zuckte mit den Schultern. »Der Lärm soll aufhören«, erklärte er. »Sofort.«
    »Das ist ein totes Kind!«, sagte Alexandra.
    »Na und? Glaubst du, ich hab noch nie ’n totes Kind gesehen, du dummes Stück? Was denkst du, wo du hier bist?«
    »Du hast keine Kinder, oder? Klotz!«, spuckte Alexandra.
    »Hab sie alle fünf mit eigenen Händen beerdigt«, sagte der Wachführer, und nur wer genau hinsah, konnte sich einbilden, dass ein winziges Zucken über sein Gesicht gelaufen war. »Neben meiner Alten. Gott liebt mich, er hat mich als Einzigen nicht an der Seuche sterben lassen.« Der Wachführer grinste und spuckte dann aus. »Wenn der Lärm nicht sofort aufhört, gibt’s hier weitere Tote, verstanden?«
    Er drehte sich um und stapfte zurück. Einer seiner Männer, ein junger Kerl, starrte abwechselnd von dem toten Kind zu der weinenden Mutter und dann zu Alexandra. Gerade als Alexandra dachte, einen Funken Mitleid entdeckt zu haben, zwinkerte er ihr zu, leckte sich über die Lippen und bewegte dann seine Faust vor seinem Schritt vor und zurück. Danach drehte er sich um und schloss zu seinen Kameraden auf.
    Der Mann aus dem Lagerraum legte den kleinen Leichnam neben die Tür und zog die Mutter auf die Füße. »Wir müssen hinein«, murmelte er. »Wir müssen wieder hinein …«
    Er sah Alexandra und Agnes nicht mehr an. Die Tür schloss sich hinter ihm und der schluchzenden Frau, die er mitschleifte wie ein Stück Holz. Alexandra und Agnes blieben mit dem Kind zurück. Agnes kniete sich nieder, drückte die toten Augen zu und legte einen Zipfel der Decke über das kleine, blasse Gesicht. Dann stand sie auf.
    »Gehen wir zurück zu unserem Quartier«, sagte sie.

14.
    Alexandra starrte die dicke Gestalt auf ihrem

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