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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Während sie und ihre Mutter nun der zerlumpten Gestalt folgten und Alexandras Atem schneller ging, weil zu ihrer Furcht angesichts der Lage in Wunsiedel eine neue Angst hinzugekommen war, die Angst vor dem, was sie hier in dieser Ruine erwartete …
    … holte sie die Erinnerung aus der Schatztruhe in ihrem Geist hervor und versuchte sich wie stets daran festzuhalten. Sie sah sich selbst …
    … durch das Haus stolpern an jenem Tag nach Mikus und Kryštofs Trauerfeier. In der Küche im Untergeschoss verließ die Kraft sie. Sie sank in einer Ecke zusammen und schluchzte, dachte, dass es einem buchstäblich das Herz zerreißen konnte, weil sich der Schmerz in ihrem Leib genauso anfühlte, hoffte, auf der Stelle daran sterben zu können, flüsterte den Namen ihres Kindes wieder und immer wieder, bis die Küchenmägde hinausschlichen, nicht länger in der Lage, Zeuginnen des Leids ihrer Herrin zu werden. Als Alexandra sich schließlich die Tränen aus den Augen wischte, nahm sie eine dicke alte Frau wahr, die auf einem Schemel saß und Lagerkarotten von dem daran haftenden Sand und der grau gewordenen Außenhaut befreite. Die alte Frau lächelte sie an.
    Manchmal muss man sie gehen lassen , sagte die alte Frau. Manchmal ist der Wille des Herrn, sie zu sich zu holen, stärker als alle Liebe, die wir für sie empfinden.
    Wer sind Sie? , fragte Alexandra.
    Ich bin eine Hexe , erwiderte Barbora.

    »Was sind die Symptome?«, fragte Alexandra die verhärmte Frau.
    »Symptome?«
    »Was fehlt deinem Kind? Hat es sich etwas gebrochen? Eine entzündete Wunde?«
    »Es hat Fieber.«
    »Wie lange schon?«
    »Seit Tagen.«
    Alexandra und Agnes wechselten einen Blick.
    »Und … und … Durchfall … sie ist nur noch Haut und Knochen!« Die Frau brach in Tränen aus.
    Alexandra und Agnes wechselten erneut einen Blick. Alexandra sah, wie die Augen ihrer Mutter sich verengten. Sie öffnete ihre Tasche und holte die Erfindung heraus, die Barbora ihr verraten und die Alexandra weiterentwickelt hatte. Es waren kleine Taschen aus Stoff, die man sich vor Mund und Nase binden konnte und die mit Lavendel, getrockneter Minze und Salbei gefüllt waren. Sie reichte eine davon an Agnes weiter und band sich die zweite selbst um. Die Frau beobachtete sie mit angstvoll aufgerissenen Augen.
    »Bring uns zu deinem Kind«, sagte Alexandra.
    Die einzige Lichtquelle in dem ehemaligen Lagerraum war ein Unschlittlicht; es war zugleich auch die einzige Wärmequelle. Der Raum war als Schlupfwinkel eine gute Wahl. Er hatte keine Fenster, die breite Tür konnte mit Decken und alten Brettern so abgedichtet werden, dass kein Lichtschein nach draußen fiel, und dank der massiven Wände und des wuchtigen Gewölbes war er beinahe unbeschädigt. Natürlich waren alle Waren, die einmal darin gewesen sein mochten, längst entnommen oder geplündert worden, und statt des vertrauten Dufts nach Gewürzen, Lebensmitteln odergewachsten Hüllen teurer Stoffe, die hier vielleicht einmal gelagert worden waren, hatte der Gestank ungewaschener, auf engstem Raum zusammenhausender Körper und der Ausscheidungen des kranken Kindes sie längst verdrängt. Die Menschen im Raum, geschlechtslos unter den zerschlissenen Decken und schweigend, rückten beiseite. Alexandra fragte nicht, ob sie zu einer Familie gehörten oder eine Zweckgemeinschaft aus ehemaligen Bewohnern, Nachbarn und Obdachlosen waren. Sie kniete sich neben das Kind auf den Boden, übergab Agnes die Tasche und schälte die kleine, zitternde Gestalt so weit aus ihren Lumpen, wie sie es wagte. Große Augen sahen halb durch sie hindurch, trockene, aufgesprungene Lippen bebten. Alexandra drückte sanft den Unterkiefer des Kindes herunter und zog das Licht näher zu sich heran. Ihr Herz hatte bereits heftig zu schlagen begonnen, als sie den Gestank im Raum wahrgenommen hatte. Sie schluckte heftig und versuchte, sich gegen die Diagnose zu wappnen. Es war nicht nötig, den Oberkörper freizulegen, um nach den kleinen roten Roseolen zu suchen.
    »Kannst du ihr helfen?«, flüsterte die Mutter des Kindes. Alexandra deckte das Kind wieder zu und strich ihm über das verfilzte Haar. Dann nahm sie ihren Mut zusammen und sah der Frau in die Augen. Sie versuchte, sich ein Lächeln auf die Lippen zu zwingen, und gab sich Mühe, dass es auch ihre Augen erreichte.
    »Ich denke schon«, sagte sie. »Könnt ihr Wasser erhitzen?«
    Die Blicke der Frau wanderten zu dem Licht. »Mühsam«, sagte sie.
    »Fangt an. Ich bereite draußen etwas

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