Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
soll? Es findet sich nichts!«
»Heinrich Müller hat gesagt, es ist diese Stelle. Ich kenne die Gegend wie mein Pfarrhaus.«
»Erzählen Sie mir noch mal, wie Sie an diese Information gekommen sind.«
»Heinrich Müller sagte auf dem Totenbett, dass …«
»Wer war Heinrich Müller gleich wieder?«
Christian seufzte. »Zunächst der Müller von Falkenau. Aber Sie kennen das sicher – jede Generation bringt einen Menschen hervor, der für seine Umgebung zu groß oder zu stark oder zu zornig ist. Manchmal gehen diese Menschen aus ihrer Heimat weg und verwenden ihren Zorn, um anderswo ihr Glück zu machen; oder aber sie bleiben dort, wo sie herkommen, ständig unzufrieden, ständig wütend, ständig voller Verachtung gegenüber all den anderen, aber dennoch nicht mit genügend Mut oder Verstand beseelt, um wegzugehen. Irgendwann einmal werden sie älter, ruhiger, resignierter, wenn Sie so wollen, finden eine Frau, gründen eine Familie, werden zu ganz normalen Mitgliedern der Allgemeinheit. Aber in ihrer Jugend waren sie die Plage aller, und auch wenn sie sich beruhigt haben, lasten die Sünden aus dieser Zeit noch immer auf ihnen, und …«
»… und Heinrich Müller war so einer.«
Christian nickte. »Einer von den ganz üblen Burschen. Wenn sein Vater nicht der Müller gewesen wäre, hätten sich gewiss ein paar junge Leute zusammengetan und ihm in der Dunkelheit aufgelauert. Aber Sie wissen ja, wie es mit dem Müller ist … man weiß nie so recht …«
» … ob er nicht mit dem Teufel im Bunde steht«, sagte der hagere alte Mann und grinste.
»Alles natürlich reiner Aberglaube«, winkte Christian ab, der es sich zur Regel gemacht hatte, sich zu bekreuzigen, wann immer ihm ein Müller über den Weg lief.
»Und Heinrich Müller hat sich geläutert.«
»Vor etlichen Jahren – als er die Mühle von seinem Vater übernahm und heiratete. Im Herbst diesen Jahres hat er sich den Fuß gebrochen, während er den Mühlstein auswechseln wollte, und das Fieber ist in die Wunde gekommen und hat ihn weggerafft.«
»Ein reuiger Sünder, der auf dem Totenbett ein altes Verbrechen gebeichtet hat.«
Christian wand sich. »Nicht gebeichtet«, sagte er. »Sonst hätte ich das alles für mich behalten. Nein, er hat mich gebeten, dafür zu sorgen, dass die armen Teufel, die er und seine Kumpane damals erschlagen haben, eine ordentliche Beerdigung erhalten, und hat mir sogar Geld dafür gegeben.«
»Worauf Sie sich mit dem Ordensmeister der Kreuzherren in Eger in Verbindung gesetzt haben, weil Heinrich Müller Ihnen erzählte, dass es sich nicht um einen simplen Mord handelte.«
»Und weil er sagte, dass ein paar Jesuiten Zeugen der Tat waren, und weil sie im Zusammenhang steht mit der Verbrennung von Anna Morgin …« Christian ließ den Kopf hängen. »Nicht gerade ein Tag des Ruhmes für diese Gegend.«
»Ein Mord im Zusammenhang mit einem Hexenprozess, ein paar Jesuiten, die den Mord decken, eine Hinrichtung,die weit über den Landstrich hinaus bekannt geworden ist und die heute die Mütter dazu hernehmen, um ihren aufmüpfigen Töchtern Angst einzujagen … Sie haben schon recht damit getan, sich Rückendeckung bei den Kreuzherren zu holen.«
»Was ich noch immer nicht verstanden habe«, sagte Christian, »ist Ihre Rolle und die Ihres Freundes. Ich dachte eigentlich, eine Abordnung des Bischofs käme oder meinetwegen auch jemand von der Societas Jesu.«
»Oh, trösten Sie sich«, sagte der hagere Mann und zwinkerte ihm zu, »wir haben Verbindung zu höchsten Kirchenkreisen.«
Der andere der beiden Männer, der verbissen weitergebuddelt hatte, hielt plötzlich inne und bückte sich. Dann sah er zu ihnen hinüber und rief: »Ich hab endlich was gefunden! Hilfst du mir, Andrej, oder hast du das Arbeiten für heute aufgegeben?«
»Ich hab das Arbeiten schon vor zehn Jahren aufgegeben«, rief der hagere Mann zurück. »Seit wir die Firma an deine Jungs übergeben haben. Erinnerst du dich noch an die Feier damals?«
»Nein«, erwiderte der Mann in der flachen Grube, die er ausgehoben hatte. »Und wenn es stimmt, was die Firmenlegende über diese Feier sagt, bin ich froh darüber.« Er grinste wie einer, der es nicht ernst meint mit seiner Rede.
Der hagere Mann, den der andere Andrej genannt hatte, schlenderte zu der Grube zurück. Christian folgte ihm zögernd.
Die Jahre als Seelsorger hatten Pfarrer Christian mit dem Tod vertraut gemacht. Seine Schäfchen entschliefen sanft in ihren Betten vor seinen Augen,
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