Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
während er ihnen die Absolution erteilte; andere wurden erst im Frühjahr im Wald gefunden, nachdem die Zeit und die Tiere sich bereits an ihnenzu schaffen gemacht hatten. Verirrte und erfrorene oder von Wegelagerern erschlagene Wanderer, in ihren einsamen Hütten zusammengebrochene und umgekommene Köhler oder Eremiten, in Reihen an Bäumen hängende Soldaten, deren Regiment unbemerkt von den Dörflern in der Nähe vorbeigekommen war und deren Offiziere einen guten Baum gefunden hatten, um Insubordination, Diebstahl oder Totschlag innerhalb der eigenen Truppe zu bestrafen. Er hatte jedoch noch nie dabei geholfen, einen Leichnam, der bereits in die Erde gelegt worden war, wieder auszugraben, und er war überrascht, wie absolut nebensächlich und gering das Häufchen Knochen aussah in seinem Lager aus halb gefrorenem Dreck, eingewickelt in Fetzen schmutzigen, dunklen Tuchs.
Der Mann, der weitergegraben hatte, hockte sich auf die Fersen und wischte mit den Händen Erde vom knöchernen Gesicht des Toten. Im Gegensatz zu seinem Begleiter war er breitschultrig, stämmig und bärtig. Sein Haar war weiß, kurz geschnitten und schütter; das seines Freundes war lang und im Nacken nachlässig zusammengebunden und wies immer noch schwarze Strähnen im Grau auf.
»Meinst du, er ist es?«, fragte der Langhaarige – Andrej.
Der andere Mann rieb einen Zipfel des halb verfallenen Tuches zwischen Daumen und Zeigefinger. »Eine schwarze Kutte«, murmelte er. Er sah Christian ins Gesicht. »Und wir haben die Aussage Heinrich Müllers, dass der Einsiedler ein Hüne war, der so arg stotterte, dass man ihn kaum verstand.«
Christian nickte.
Der Mann in der Grube tätschelte das Knochengesicht des Toten sanft. »Hallo, Bruder Buh«, sagte er. »Hat dein Weg hier enden müssen, unter den Knüppeln von Totschlägern und Soldaten, weil du versucht hast, einer vor der Hinrichtung geflohenen Hexe Asyl zu geben? Du hast schon immer diejenigen beschützt, die es wirklich nötig hatten, nicht wahr?Abt Martin … deinen Freund Pavel … und uns alle, damals im Klosterhof von Braunau. Wenn einer seine Sünden wettgemacht hat, dann du.«
»Ruhe in Frieden«, sagte der Mann namens Andrej.
»Danke, mein Freund. Ich weiß, dass du ihn immer als den Mörder Yolantas gesehen hast.«
»Ich weiß nicht, Cyprian. Yolanta ist Bruder Pavels wegen gestorben, nicht seinetwegen. Und auch Bruder Pavel habe ich schon lange vergeben.«
Cyprian rieb den brüchigen schwarzen Stoff erneut. »Nach so langer Zeit lässt mir diese Kutte immer noch die Haare zu Berge stehen.« Er ließ den Stoffzipfel los und wischte sich die Finger an der Hose ab.
»Geht mir genauso, wenn ich Wenzel darin sehe. Und er ist mein eigener Sohn.«
»Meine Herren«, sagte Christian, »wie geht es jetzt weiter?«
Die beiden Männer beachteten ihn nicht. Cyprian richtete sich auf und schüttelte den Kopf. »Ich bin immer wieder erstaunt, wie gut Onkel Melchiors Verbindungen selbst eine Generation über seinen Tod hinaus noch arbeiten. Aber die Kreuzherren haben ihm aus der Hand gefressen, seit er damals ihren obersten Ordensmeister Bischof Lohelius auf seine Seite zog.«
»Hmmm«, brummte Andrej. »Na schön, wir haben die Leiche von Bruder Buh gefunden. Aber die Frage ist doch – was hat er erzählt, bevor er starb? Ich traue den Jesuiten nicht. Die Kerle sind schlauer als der Teufel selbst. Wenn es stimmt und die Jesuiten, die damals den Hexenprozess führten, mit den Leuten aus dem Dorf und ihren Soldaten hier herausgekommen sind auf der Jagd nach Anna Morgin, dann kann es sein, dass sie Bruder Buh noch mit dem letzten Atem abgequetscht haben, was er über …«
»Ha-rrrumph!«, machte Cyprian.
»… alles wusste«, vollendete Andrej geschmeidig.
Christian sah von einem zum anderen. »Heinrich Müller hat geschworen, dass er die Wahrheit …«
»Schon gut, Hochwürden. Keiner stellt Ihre Aussagen in Abrede.«
»Würden Sie mir freundlicherweise verraten, was Sie mit der ganzen Sache zu tun haben?«
»Lassen Sie es mich so sagen«, erklärte Andrej. »Der Ordensmeister der Kreuzherren von Eger hat eine Taube zu seinem Obersten nach Prag geschickt, sobald er sich vergewissert hatte, was hier vor sechzehn Jahren geschehen ist. Die Nachricht, die diese Taube dabeihatte, ist von der Kommende der Kreuzherren in Prag direkt zu unserem Haus gebracht worden und hat dort wiederum eine Botschaft nach Ingolstadt ausgelöst, wo wir beide uns zufällig aufhielten. Wenn Sie jetzt
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