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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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zog die gefangene Hand gleichzeitig zu sichheran. Mit gespielter Sorgfalt betrachtete er die Fingerspitzen und die Handfläche.
    »Man sieht gar nichts mehr«, sagte er. »Es ist einfach ein Märchen, dass der Mörder sich das Blut seiner unschuldigen Opfer nicht mehr abwaschen kann.«
    Ihre freie Hand zuckte nach vorn und endete in einer Klaue dicht vor seinem Gesicht. Er hatte nicht einmal geblinzelt. »Ts, ts«, machte er. »Liebste Agnes. Wir wollen uns doch nicht gegenseitig wehtun.«
    Er drückte ihr Handgelenk zusammen. Es knackte. Sie stieß ein Zischen aus, dann ballte sie die freie Hand zur Faust und ließ sie sinken.
    »Lass mich gehen«, sagte sie, und es hörte sich an, als müsse sie um einen Kloß aus Hass herumreden, der groß wie ein Mühlstein in ihrem Hals steckte. »Ich möchte zur Christvesper.«
    »Gute Andacht«, sagte er und ließ sie los. »Liebste Agnes.«
    Er sah ihr hinterher, als sie aus dem Krankensaal eilte. Damals war sie mit denselben eckigen Schritten aus dem Vorraum zur Peinkammer geeilt. Einige Minuten vorher hatte sie ausgesagt, dass das Jungfernhäutchen des jungen Mädchens, das sie drinnen in der Peinkammer unter Ausschluss der Öffentlichkeit untersucht hatte, noch intakt war. Sie war eine nicht mehr ganz junge Klosterschwester gewesen, ohne Aussicht auf Aufstieg in der Ordenshierarchie, weil sie nicht aus Frömmigkeit eingetreten war, sondern weil ihr die Gemeinheit und Brutalität der Welt draußen Angst gemacht hatten. Nun war sie mitten in der Gemeinheit gelandet. In der Rückschau gestand Sebastian ihr zu, dass sie zumindest anfangs versucht hatte, anständig zu handeln.
    Die meisten Menschen versuchten am Anfang, anständig zu sein. Die meisten Menschen waren Narren. Noch einmal für das Protokoll , sagte Fürstbischof Adolf von Ehrenberg. Er führte fast immer selbst den Vorsitz bei den Prozessen. Was hat die Jung fernprobe ergeben, Schwester?
    Das Kind ist unberührt, Euer Gnaden.
    Prüfen Sie noch mal, Schwester. Das Kind war die Buhlin des Teufels; er hat sie verführt …
    Das Kind ist unberührt, Euer Gnaden, so wahr ich …
    Mit Bedacht, Schwester, mit Bedacht. Sie sind jung. Sie sind unerfahren. Vielleicht möchten Sie noch einmal prüfen. Vielleicht möchten Sie zu Ihrem eigenen Besten vermeiden, dass eine zweite Untersuchung ein anderes Ergebnis zeitigt und in Uns und der heiligen Inquisition der böse Verdacht wächst, Sie könnten mit einer Hexe unter einer Decke stecken. Schwester?
    Der Vater des Mädchens erhob Einspruch. Das Kind war noch keine zehn Jahre alt, es war völlig verängstigt, sollte man ihm tatsächlich erneut antun, dass prüfende Finger unter den Marterkittel fassten und …
    Es geht darum, Schuld oder Unschuld zu beweisen, mein lieber Herr , sagte der Fürstbischof.
    Der Vater bestand darauf, dass sein Kind unschuldig war. Der Fürstbischof lächelte milde und blickte zum Himmel (der niedrigen Decke der Kammer), als sei er sicher, dass von dort die Erleuchtung käme.
    Die Schwester ging hinein und kam wieder heraus. Ihr Gesicht hatte die Farbe von Lehm, und der Schweiß stand ihr auf der Stirn.
    Ich habe mich getäuscht, Euer Gnaden , flüsterte sie. Der Teufel hat das Kind erkannt.
    Der Vater fuhr wütend auf und bestand darauf, dass die Hebamme, die er mitgebracht hatte, seine Tochter ebenfalls prüfte.
    Wenn Sie dem Kind die Verlegenheit zum dritten Mal antun wollen , sagte der Fürstbischof. Nun, es ist Ihr Vorrecht als Mann von Adel, mein lieber Herr. Aber selbstverständlich solltesich unser Mitleid im Zaum halten; wir haben es mit einer Hexe zu tun, in deren Kloake sich weit Schlimmeres geschoben hat als der Finger einer weisen Frau.
    Die Hebamme kam wieder aus dem Untersuchungsraum, den Blick abgewandt. Sie nickte stumm und schlurfte dann hinaus. Der Vater blieb wie vom Donner gerührt sitzen, das Gesicht aschfarben.
    Sebastian hatte als einer der amtlich bestellten Zeugen und Beisitzer beim Ausgang aus der Vorkammer gesessen. Als die Klosterschwester sich verneigt hatte und dann hatte hinauseilen wollen, hatte er nach ihrem Handgelenk gegriffen und die Hand herumgedreht. Unter dem Fingernagel ihres Mittelfingers war frisches Blut gewesen, und ein dünnes Rinnsal war innen am Finger entlanggelaufen. Sebastians Blicke und die der Klosterschwester waren sich begegnet. Er hatte das Handgelenk losgelassen und ihr das Blut vom Finger gewischt. Die Klosterschwester war geflohen, als seien alle Verdammten der Hölle hinter ihr her …
    …

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