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Die Erbin Der Welt erbin1

Die Erbin Der Welt erbin1

Titel: Die Erbin Der Welt erbin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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war, aber trotzdem aus irgendeinem Grund verschlossen und vergessen wirkte. Die Decke sah aus, als ob es sich um einen Unfall in den Bauplänen der Götter handelte. Die blasse Elysi- umsubstanz hing in nach unten zugespitzten Ausstülpungen wie Stalaktiten herab, allerdings weit weniger zierlich und elegant. Einige waren so nah, dass man sie berühren konnte. Der Sinn dieses Gemachs erschloss sich mir nicht, bis Si'eh mich zu einer Holzverkleidung an der Wand führte.
    Als ich sie berührte, öffnete sich ein Spalt in der Decke, durch den ein scharfer, eiskalter Windstoß hereinwehte. Ich zitterte, aber vergaß mein Unbehagen, als die Ausstülpungen der Decke anfingen zu singen. Der Wind hatte sie in Schwingungen versetzt. Es war eine Musik, wie ich sie noch nie vernommen hatte, schwingend und fremdartig — eine Vielzahl von Tönen, die zu schön war, um sie als Lärm zu bezeichnen. Ich ließ nicht zu, dass Si'eh die Holzvertäfelung berührte, um die Luft auszusperren, bis ich kein Gefühl mehr in den Fingern hatte.
    In der anschließenden Stille kauerte ich an der Wand und pustete in meine Hände, um sie zu wärmen. Si'eh hockte vor mir und sah mich durchdringend an. Mir war zu kalt, und deshalb bemerkte ich es zunächst nicht, aber dann beugte er sich plötzlich vor und küsste mich. Erschreckt erstarrte ich, aber es war nicht unangenehm. Es war der Kuss eines Kindes, spontan und bedingungslos. Allein die Tatsache, dass er kein Kind war, rief bei mir Unbehagen hervor.
    Si'eh lehnte sich zurück und seufzte wehmütig, als er den Ausdruck auf meinem Gesicht sah. »Tut mir leid«, sagte er und ließ sich neben mir nieder.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte ich. »Sag mir nur, wofür der war.« Ich erkannte, dass das ein versteckter Befehl war und fügte hinzu: »Wenn du willst.«
    Er schüttelte den Kopf, spielte den Schüchternen und drückte sein Gesicht gegen meinen Arm. Ich mochte seine Wärme dort, aber ich mochte das Schweigen nicht. Ich entzog mich ihm und zwang ihn dadurch, sich gerade hinzusetzen, weil er sonst umgefallen wäre.
    »Yeine!« »Si'eh!«
    Er seufzte und sah verärgert aus. Dann setzte er sich in den Schneidersitz. Einen Moment lang dachte ich, er würde schmollen, aber schließlich sagte er: »Ich finde es einfach nicht fair, das ist alles. Naha durfte dich schmecken und ich nicht.«
    Jetzt fühlte ich mich definitiv unbehaglich. »Selbst in meinem Barbarenland nehmen sich Frauen keine Kinder als Geliebte.«
    Der Ärger in seinem Gesichtsausdruck verstärkte sich. »Ich habe dir schon einmal gesagt, ich will das nicht von dir. Ich rede hiervon.« Er ging plötzlich auf die Knie und lehnte sich nach vorne. Ich zuckte weg, und er wartete ab. Mir kam in den Sinn, dass ich ihn liebte, ihm meine innerste Seele anvertraute. Sollte ich ihm da nicht mit einem Kuss trauen? Also atmete ich tief ein und entspannte mich. Si'eh wartete, bis ich ihm zunickte und noch ein bisschen länger, nur um sicher zu sein. Dann lehnte er sich vor und küsste mich erneut.
    Diesmal war es anders, weil ich ihn schmeckte — nicht Si'eh, das süße, ein wenig unanständige Kind, aber den Si'eh hinter der menschlichen Maske. Es war ... schwer zu beschreiben. Ein plötzlicher Ausbruch von etwas Erfrischendem, wie einer reifen Melone oder vielleicht eines Wasserfalls. Ein reißender Strom, ein Strudel — er floss in mich hinein, durch mich hindurch und wieder zu ihm zurück. Das ging so schnell, dass ich kaum Luft holen konnte. Salz. Blitze. Das tat so weh, dass ich mich fast entzogen hätte, aber in der Entfernung spürte ich, wie Si'ehs Hände sich schmerzhaft um meine Arme schlössen. Bevor ich aufschreien konnte, schoss ein kalter Wind durch mich hindurch und linderte sowohl den Schock als auch meine Blutergüsse.
    Dann zog Si'eh sich zurück. Ich starrte ihn an, aber seine Augen waren immer noch geschlossen. Er stieß einen tiefen, befriedigten Seufzer aus, setzte sich wieder neben mich, hob meinen Arm und legte ihn schützend um sich.
    »Was ... war das?«, fragte ich, als ich mich ein wenig erholt hatte.
    »Ich«, sagte er. Natürlich.
    »Wonach schmecke ich?«
    Si eh seufzte, kuschelte sich an meine Schulter, und seine Arme lagen um meine Hüfte. »Weich, neblige Orte voller scharfer Kanten und versteckter Farben.«
    Ich konnte nicht anders und musste kichern. Ich fühlte mich benebelt, als ob ich zu viel von Relads Likör getrunken hätte. »Das ist kein Geschmack!«
    »Natürlich ist es das. Du

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