Die Erbin Der Welt erbin1
ich. »Danke.«
Er neigte seinen Kopf und verschwand dann — nicht auf einmal, wie Si'eh es getan hatte, sondern er löste sich über die Spanne einiger Atemzüge hinweg auf. Auch als ich ihn nicht länger sehen konnte, spürte ich seine Anwesenheit, aber irgendwann verschwand auch das. Ich fühlte mich allein, egal ob gänzlich oder nicht.
Ich krabbelte wieder ins Bett und schlief innerhalb weniger Minuten ein.
Es gibt ein Märchen über den Lord der Finsternis, das die Priester zulassen.
Vor langer Zeit, noch vor dem Krieg der Götter, stieg der Lord der Finsternis auf die Erde herab und suchte Unterhaltung. Er fand eine Frau in einem Turm — die weggesperrte und einsame Ehefrau eines Regenten. Es war nicht schwer für ihn, sie zu verführen.
Einige Zeit später gebar die Frau ein Kind. Es war nicht das Kind ihres Mannes. Es war kein Mensch. Es war der erste der großen Dämonen, und nachdem dieses und weitere Kinder dieser Art geboren worden waren, erkannten die Götter, dass sie einen furchtbaren Fehler begangen hatten. Also spürten sie ihre eigenen Nachkommen auf und töteten alle bis hin zum kleinsten Säugling. Die Frau, die von ihrem Mann hinausgeworfen worden war, hatte nun auch noch ihr Kind verloren und erfror irgendwo einsam in einem verschneiten Wald.
Meine Großmutter erzählte mir eine andere Version des Märchens. Nachdem man die Dämonenkinder zur Strecke gebracht hatte, suchte der Lord der Finsternis die Frau noch einmal auf und bat sie um Verzeihung für das, was er getan hatte. Als Wiedergutmachung baute er ihr einen neuen Turm, gab ihr Reichtümer, damit sie ein angenehmes Leben führen konnte, und besuchte sie danach immer wieder, um sicherzustellen, dass es ihr gut ging.
Aber sie konnte ihm nie verzeihen, und schließlich beging sie in ihrer Trauer Selbstmord.
Die Moral der Priester: Nehmt euch vor dem Lord der Finsternis in Acht, da sein Vergnügen der Untergang der Sterblichen ist. Die Moral meiner Großmutter: Nehmt euch vor der Liebe in Acht, vor allem, wenn es sich um den falschen Mann handelt.
Cousin
A m nächsten Morgen erschien eine Bedienstete, um mir beim Ankleiden und Zurechtmachen zu helfen. Lächerlich. Dennoch schien es angebracht, wenigstens zu versuchen, sich wie eine Ara meri zu benehmen, also biss ich mir auf die Zunge, während sie viel Aufhebens um mich machte. Sie schloss meine Knöpfe und zupfte ständig an meiner Kleidung herum, als ob ich dadurch eleganter aussehen würde. Dann bürstete sie mein kurzes Haar und half mir dabei, mich zu schminken. Bei Letzterem brauchte ich allerdings wirklich Hilfe, da Darrefrauen keine Kosmetik benutzen. Ich konnte mich einer gewissen Fassungslosigkeit nicht erwehren, als sie den Spiegel herumdrehte und ich mich in voller Kriegsbemalung sah. Es sah nicht schlecht aus. Nur ... seltsam.
Ich muss wohl allzu finster dreingeblickt haben, weil die Dienerin ängstlich wurde und dann in einer großen Tasche, die sie mitgebracht hatte, herumkramte. »Ich habe genau das Richtige«, sagte sie und zog etwas heraus, das auf den ersten Blick wie eine Partymaske aussah: eine Art Brillengestell aus Draht war an einem satinüberzogenen Stab angebracht. Aber die Maske war seltsam, sie schien fast nur aus einem Paar hellblauer Federn zu bestehen, die wie die Augen einer Pfauenfeder aussahen.
»Alle Damen von hohem Geblüt benutzen so was«, sagte die Dienerin eifrig. »Sie sind jetzt in Mode. Seht.« Sie hob das Gestell vor ihr Gesicht, so dass die blauen Augen ihre eigenen, grauen überlagerten. Sie blinzelte und senkte das Gestell wieder — und plötzlich waren ihre Augen hellblau und von langen, exotischen, dicken schwarzen Wimpern umrahmt. Ich starrte verblüfft, und dann fiel mir auf, dass die Augen in dem Gestell jetzt grau und ausdruckslos waren, umgeben von den ziemlich gewöhnlichen Wimpern der Dienerin. Sie hielt das Gestell wieder vor ihre Augen, und alles war wieder beim Alten.
»Seht Ihr?« Sie hielt mir den Stab hin. Jetzt konnte ich die winzigen, schwarzen und kaum sichtbaren Siegel erkennen, die an seinem Rand eingraviert waren. »Blau würde wunderbar zu dem Kleid passen.«
Ich wich zurück und brauchte noch ein paar Sekunden, bevor ich in der Lage war, zu sprechen. »W-wessen Augen waren das?«
»Was?«
»Die Augen, die Augen. Woher stammen sie?«
Die Dienerin starrte mich an, als ob ich gefragt hätte, wo der Mond herkommt. »Ich weiß nicht, Mylady«, sagte sie nach einer
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