Die Erbin Der Welt erbin1
Hauch einer Chance hatte, diesen Ort zu überleben.
In diesem Moment allerdings beschlich mich das Gefühl, beobachtet zu werden.
Meine Großmutter hatte mich gut ausgebildet, deshalb war ich sofort hellwach.
Obwohl ich dem Drang widerstand, meine Augen zu öffnen oder eine andere Reaktion zu zeigen, sagte eine tiefe Stimme: »Du bist wach.«
Also öffnete ich meine Augen und setzte mich auf — und musste dann einem ganz anderen Drang widerstehen, als ich den Lord der Finsternis keine zehn Schritte entfernt stehen sah.
Wegrennen hatte keinen Zweck. Also sagte ich: »Guten Abend, Lord Nahadoth.« Ich war stolz, als meine Stimme nicht zitterte.
Er neigte seinen Kopf in meine Richtung, stand dann einfach schwelend am Fußende meines Bettes und ließ nichts Gutes erahnen. Als mir bewusst wurde, dass Götter mit ziemlicher Sicherheit einen anderen Zeitbegriff haben als Sterbliche, fragte ich ihn: »Womit habe ich die Ehre Eures Besuches verdient?«
»Ich wollte dich sehen«, sagte er.
»Warum?«
Darauf antwortete er nicht. Aber immerhin bewegte er sich. Er drehte sich um, so dass er mir den Rücken zukehrte, und ging zum Fenster. Dort war es schwieriger, ihn zu zu erkennen, weil der dunkle Nachthimmel im Hintergrund war. Sein Umhang — seine Haare? — also diese dunkle Korona, die ihn ständig umspielte, wurde eins mit dem schwarzen Sternenhimmel.
Dies war weder das gewalttätige Ungeheuer, das mich gejagt hatte, noch das kalte, überlegene Wesen, das kurz darauf gedroht hatte, mich zu töten. Ich konnte ihn nicht einschätzen, aber diesmal umgab ihn etwas Weiches, das ich bisher nur für einen kurzen Augenblick wahrgenommen hatte, als er meine Hand hielt, sein Blut auf mich tropfte und er mich mit einem Kuss ehrte.
Ich wollte ihn darauf ansprechen, aber es gab zu viel an dieser Erinnerung, das mich beunruhigte. Stattdessen fragte ich ihn: »Warum habt Ihr gestern versucht, mich zu töten?«
»Ich hätte dich nicht getötet. Scimina hat mir befohlen, dich am Leben zu lassen.«
Das beunruhigte mich noch mehr. »Warum?« »Ich nehme an, weil sie nicht wollte, dass du stirbst.«
Ich war gefährlich kurz davor, ärgerlich zu werden. »Was hättet Ihr mit mir gemacht, wenn Ihr mich nicht töten wolltet?«
»Dir wehgetan.«
Diesmal war ich froh, dass er so dunkel war.
Ich schluckte. »So, wie Ihr Si'eh wehgetan habt?«
Er hielt inne und drehte sich dann zu mir herum. Der Halbmond schien über ihm durch das Fenster. Sein Gesicht hatte denselben blassen Glanz. Er sagte nichts, aber plötzlich verstand ich: Er erinnerte sich nicht mehr daran, Si'eh verletzt zu haben.
»Also seid Ihr wirklich ein anderer«, sagte ich. Ich schlang meine Arme um meinen Körper. Es war kalt im Zimmer geworden, und ich trug nur ein dünnes Hemd und kurze Hosen zum Schlafen. »Si'eh sagte so etwas und T'vril ebenfalls. >Solange der Himmel noch hell erleuchtet ist .. .<«
»Die Dämmerung ist nicht meine Zeit«, sagte der Lord der Finsternis. »Am Tage bin ich ein Mensch. In der Nacht bin ich ... etwas, das meinem wahren Ich eher entspricht.« Er spreizte die Finger. »Die Verwandlung findet bei Sonnenuntergang und in der Morgendämmerung statt.«
»Und dann werdet Ihr ... das.« Ich vermied es sorgfältig, das Wort »Monster« auszusprechen.
»Wenn der sterbliche Geist auch nur für einen Moment von göttlicher Macht und Wissen erfüllt wird, reagiert er nur selten positiv darauf.«
»Und trotzdem kann Scimina Euch auch durch diesen Wahnsinn hindurch erreichen und Befehle erteilen?«
Er nickte. »Der Zwang von Itempas setzt alles andere außer Kraft.« Er machte eine Pause, und plötzlich konnte ich seine Augen klar erkennen — kalt, stählern und schwarz wie der Himmel. »Wenn du nicht willst, dass ich hier bin, befiehl mir, zu gehen.«
Man stelle sich das vor: Man hat die Befehlsgewalt über ein unglaublich mächtiges Wesen. Es muss sich einfach jeder Laune beugen. Wäre die Versuchung, es herabzuwürdigen, es zu erniedrigen und sich selber dadurch mächtig zu fühlen, nicht beinahe unwiderstehlich?
Ich denke, sie wäre es.
Ja, das wäre sie bestimmt.
»Ich würde lieber wissen, warum Ihr überhaupt hergekommen seid«, sagte ich. »Aber ich werde Euch nicht zu einer Erklärung zwingen.«
»Warum nicht?« In seiner Stimme lag etwas Gefährliches.
Warum war er verärgert? Weil ich Macht über ihn hatte und mich entschieden hatte, sie nicht auszuüben? Oder war er besorgt, dass ich es tun würde?
Schlagartig kam mir die
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