Die Erbin Der Welt erbin1
Finsternis hinter meinen Lidern.
»Nahadoth«, sagte ich.
Meine Lippen bewegten sich kaum. Ich hatte dem Wort gerade genug Atem geschenkt, dass es hörbar wurde, nicht mehr. Ich hörte mich nicht einmal selbst über das laufende Wasser und das Hämmern meines Herzens hinweg. Aber ich wartete. Zwei Atemzüge. Drei.
Nichts geschah.
Für einen kurzen Moment verspürte ich eine völlig absurde Enttäuschung. Ihr folgten erst Erleichterung und dann Wut auf mich selber. Was zum Mahlstrom war bloß los mit mir? Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nichts so Dummes getan. Ich war wohl dabei, meinen Verstand zu verlieren.
Ich wandte mich von dem Spiegel ab — und dann wurden die leuchtenden Wände dunkel.
»Was ...«, fing ich an, und dann legte sich ein Mund über meinen.
Selbst wenn die Logik mir nicht gesagt hätte, wer es war, der Kuss hätte es getan. Er schmeckte nach nichts, sondern war nur feucht und stark. Eine hungrige, bewegliche Zunge glitt wie eine Schlange um meine. Sein Mund war kälter, als der von T'vril es gewesen war. Aber als Reaktion durchströmte mich eine andere Form der Hitze, und als Hände begannen, meinen Körper zu erforschen, konnte ich nicht anders, als mich ihnen entgegenzustrecken. Ich atmete schneller, als der Mund meinen schließlich freigab und sich an meinem Hals herunterbewegte.
Ich wusste, ich hätte ihn aufhalten sollen. Ich wusste, dass er so am liebsten tötete. Aber als unsichtbare Seile mich hochhoben und gegen die Wand drückten und Finger zwischen meine Schenkel glitten, um eine sanfte Musik zu spielen, wurde das Denken unmöglich. Dieser Mund, sein Mund war überall. Er musste ein Dutzend davon haben. Jedes Mal, wenn ich stöhnte oder aufschrie, küsste er mich und trank das Geräusch wie Wein. Wenn ich mich zusammenreißen konnte, drückte er sein Gesicht in mein Haar, und sein Atem ging schnell und leicht in meinem Ohr. Ich versuchte, meine Arme auszustrecken und ihn zu umarmen, aber irgendetwas hielt meine Arme an meiner Seite fest. Dann taten seine Finger etwas anderes, und ich schrie, schrie aus Leibeskräften — nur hatte er bereits meinen Mund wieder bedeckt, und es gab kein Geräusch, kein Licht, keine Bewegung — er hatte alles verschlungen. Es gab nichts außer Lust, und sie schien Ewigkeiten anzudauern. Wenn er mich auf der Stelle getötet hätte, wäre ich glücklich gestorben.
Dann war es weg.
Ich öffnete meine Augen.
Ich saß zusammengesunken auf dem Badezimmerboden. Meine Beine waren schwach und wackelig. Die Wände leuchteten wieder. Dampfendes Wasser füllte die Badewanne neben mir bis zum Rand; die Hähne waren zugedreht. Ich war allein.
Ich stand auf, badete und ging wieder zu Bett. T'vril murmelte etwas im Schlaf und warf einen Arm über mich. Ich rollte mich an ihn gekuschelt zusammen und erzählte mir für den Rest der Nacht, dass ich vor Angst immer noch zitterte und aus keinem anderen Grund.
Das Ve r l ies
Es gibt Dinge, die ich vorher nicht wusste, dafür aber jetzt.
Wie dieses. In dem Moment, in dem Bright Itempas geboren wurde, griff der Lord der Finsternis ihn an. Sie waren so gegensätzlich, dass dies zunächst schicksalhaft und unvermeidlich erschien. Sie kämpften zahllose Ewigkeiten lang — und beide errangen dann und wann einen Sieg, nur um später wieder gestürzt zu werden. Nur allmählich begriffen beide, dass ein solcher Kampf sinnlos war. Auf der großen Skala aller Dinge gab es ein ewiges Unentschieden.
Allerdings erschufen sie währenddessen, rein zufällig, viele Dinge. Itempas fügte der formlosen Leere, die Nahadoth geboren hatte, Anziehungskraft, Bewegung, Funktion und Zeit hinzu. Von jedem großen Stern, der in dem Kreuzfeuer vernichtet wurde, nahmen die Götter Asche, um etwas Neues zu erschaffen: mehr Sterne, Planeten, glitzernde, bunte Wolken, Wunderdinge, die sich drehten und pulsierten. Allmählich nahm das Universum zwischen den beiden Gestalt an. Als sich der Staub ihrer Kämpfe setzte, stellten beide Götter fest, dass sie zufrieden waren.
Ich frage mich, wer von beiden den ersten Schritt zum Frieden machte? Ich stelle mir vor, dass es zunächst Fehlstarts gab ... gebrochene Waffenstillstände und Ähnliches. Wie lange dauerte es, bis Hass zu Toleranz wurde, dann zu Respekt und Vertrauen und schließlich zu mehr? Und als es endlich so weit war, liebten sie sich so leidenschaftlich, wie sie vorher Krieg geführt hatten? Darin liegt eine sagenhafte Romanze. Und das Faszinierendste ist
Weitere Kostenlose Bücher