Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
Vorstellung, dass Anjan das gleiche Ergebnis wie sein eigener Schüler erzielt hatte, erst einmal verarbeiten.
„Ich bin nun Anwalt in London“, fuhr Anjan fort. Er wartete ab, ob Fairfield die Verbindung zwischen seinem Beruf und der Nachricht, die Emily ihm zurückgelassen hatte, herstellen würde.
Das tat er nicht. Fairfield saß da und betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn und schmalen Augen.
„Vor ein paar Tagen“, fuhr Anjan nach einer längeren Pause fort, „kam Miss Emily Fairfield zu mir.“
Ihr Onkel atmete scharf ein. „Sie?“, fragte er sichtlich schockiert. „Warum sollte sie zu Ihnen kommen?“
„Weil ich sie gebeten habe, meine Frau zu werden“, sagte Anjan. „Und weil sie Ja sagen wollte.“
„Das ist ja lachhaft!“ Fairfield schüttelte wieder den Kopf, stieß sich vom Schreibtisch ab, als könne er so die Worte von sich weisen, die Anjan sagte. „Das ist Wahnsinn. Das ist unmöglich.“
Anjan hätte vielleicht begonnen, all die Gründe aufzulisten, warum es sehr wohl möglich war – angefangen bei dem Kuss als Glücksbringer für heute, den sie ihm gestern Abend gegeben hatte. Er hätte vielleicht auch das lange Gespräch erwähnen können, das sie letzte Nacht geführt hatten, in dem sie ihre Zukunft besprochen hatten. Stattdessen entschied er sich, den Mann falsch zu verstehen.
„Lassen Sie sich versichern“, teilte er ihm mit. „Es ist nicht verboten.“
„Das habe ich nicht gemeint.“ Fairfield verzog das Gesicht. „Das wissen Sie doch. Ich meinte, dass Sie sie nicht heiraten können.“
„Sie meinen, ich könnte sie nicht heiraten aufgrund des Umstandes, dass Sie Einwände haben.“
Fairfield wirkte erleichtert, dass es so unmissverständlich ausgesprochen worden war. „Ja. Ja, genau, das ist es. Ich habe Einwände.“
„Daraus mache ich Ihnen keinen Vorwurf“, erklärte Anjan. „Ich bin hier, um Ihre Einwände zu entkräften. Ich weiß, dass Sie sich Sorgen machen, wie es Ihrer Nichte ergehen wird.“
„Allerdings.“ Fairfield straffte die Schultern, schob seine Brust nach vorne. „Ich sorge mich um ihr Wohlergehen.“
„Das verstehe ich gut“, erwiderte Anjan. „Mein Vater ist ein hochrangiger Beamter der Gouverneursverwaltung in Indien. Mein Onkel ist der indische Adjutant des Generalgouverneurs. Ich weiß, dass Sie Angst haben, ich könnte Ihre Nichte als unter mir stehend ansehen.“
Fairfield blinzelte mehrmals rasch hintereinander. „Äh. Nun ja.“
„Machen Sie sich keine Sorgen“, fuhr Anjan fort. „Das tue ich nicht. Mir liegt ihr Wohlergehen so sehr am Herzen wie jedem Mann niederen Ranges. Unsere Umstände mögen besser sein als Ihr bescheidenes Auskommen, aber ich bin im Grunde auch nur ein weiterer der loyalen Diener Ihrer Majestät.“ Die Worte hinterließen kaum einen bitteren Nachgeschmack, als er sie aussprach.
Mr. Fairfield schien verdutzt. Er strich sich mit der Hand über den Kopf, verzog das Gesicht. „Das war nicht …“
„Ah. Sind es dann ihre Anfälle? Sie fürchten, sie sei nicht aufrichtig mit mir gewesen? Mr. Fairfield, ich zolle Ihnen Beifall für Ihren Wunsch, sicherzustellen, dass zwischen allen Beteiligten größtmögliche Aufrichtigkeit herrscht, bevor man eine dauerhafte Beziehung eingeht. Aber ich kann Ihnen versichern, ich war von Anfang an darüber informiert. Sie sind meiner Ansicht nach kaum der Rede wert.“
„Sie verstehen nicht.“ Fairfield wurde immer blasser.
„Ach so“, Anjan erhob sich langsam, stützte die Hände auf den Schreibtisch. „Es liegt daran, dass ich Inder bin.“
Es entstand eine lange bedeutungsschwangere Pause.
„Ich bin mir nicht sicher, ob es Emily gut genug geht, um eine Ehe einzugehen“, sagte ihr Onkel schließlich. „Aber wenn, dann ja, ich würde Ihren Antrag abweisen. Weil Sie … weil Sie …“
„Aus Indien stammen“, sprang ihm Anjan hilfsbereit bei. „Das ist der Name eines Landes, keine ekelhafte Krankheit. Sie werden lernen müssen, es auszusprechen, schließlich werden wir eine Familie sein.“
„Nein, selbstverständlich werden wir das nicht“, widersprach Fairfield hartnäckig. „Ich muss gar nichts sagen. Ich werde Ihnen meine Erlaubnis nicht erteilen. Auf keinen Fall.“
„Vielleicht können Sie mir den Grund erklären?“
„Weil ich Ihre Rasse kenne“, erwiderte Fairfield barsch. „Sie sind schwach, und sie werden zehn Ehefrauen nehmen, und wenn Sie sterben, wird meine Nichte mit Ihrem Leichnam verbrannt werden.“
„Ja“,
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