Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
antwortete Anjan scharf. „Weil es so viel besser für sie wäre, wenn sie gar keinen Ehemann hätte, um sie mit rotglühenden Eisenstäben zu brandmarken, solange sie lebt, und sie elektrischen Schlägen auszusetzen. Sie haben kein Recht, mir in diesem Punkt Vorhaltungen zu machen, Mr. Fairfield. Ich habe ihr wenigstens nie Schmerzen bereitet.“
Fairfield schluckte. „Das ist etwas ganz anderes. Sie war … ist … krank. Und … und …“
„Und Sie haben es verschlimmert. Wissen Sie, dass ich Ihre Nichte nur ein einziges Mal habe weinen sehen? Das war, als ich ihr gesagt habe, Ihr Vormund sollte sie wie einen kostbaren Schatz behandeln.“
„Aber …“
„Während wir darüber sprechen, nehme ich an, dass ein paar klärende Fakten nötig sind. Hindus praktizieren Monogamie. Ich kenne keinen einzigen Hindu, der mehr als eine Ehefrau hat. Als mein Bruder starb, hat seine Frau um ihn getrauert, aber sie ist noch am Leben.“ Anjan spürte, wie seine Hände vor Zorn bebten. „Ich behaupte nicht, dass meine Rasse, wie Sie das nennen, perfekt ist, aber ich gebe mir Mühe.“ Er betrachtete den Mann finster. „Ich habe Emilys Narben gesehen, und das ist mehr, als Sie von sich behaupten können.“
Fairfield sank unter dem Zorn in Anjans Stimme immer mehr in sich zusammen. „Ich habe es nur gut gemeint“, flüsterte er.
Anjan beugte sich über den Schreibtisch, bis er einen Zoll von dem anderen Mann entfernt war. „Dann geben Sie sich Mühe, es besser zu meinen.“
Fairfield wurde auf seinem Stuhl noch kleiner. „Ich …“ Er schaute sich um. „Sie … Sie haben ihre Narben gesehen?“
Anjan nickte.
„Aber sie sind …“
Anjan nickte.
„Sie würde Teile ihrer Kleidung ablegen müssen, um sie Ihnen zu zeigen.“ Er wirkte verstört, und Anjan entschied, unerwähnt zu lassen, dass er nicht alle Narben von Emily gesehen hatte. „Und Sie sagen, Emily sei zu Ihnen gekommen, nachdem sie von hier fortgelaufen ist?“
„Genau.“
„Dann ist sie … ruiniert. Sie muss heiraten.“ Er befeuchtete seine Lippen.
Es war überflüssig, genauer zu klären, inwieweit Emily ruiniert war.
Mr. Fairfield schwieg eine lange Weile. Seine Lippen bewegten sich, als debattierte er mit sich selbst … aber wenigstens schien er Für und Wider zu erwägen. Schließlich setzte er sich wieder aufrechter hin. „Sie sind Inder“, sagte er. „Heißt das nicht, dass Sie … über besondere Heilmethoden verfügen? Ich denke, ich erinnere mich, davon gehört zu haben. Besondere …“ Er machte eine Handbewegung. „Dinge. Mit Sachen.“
Anjan hatte einen Jura-Abschluss aus Cambridge, genau denselben wie Mr. Fairfield auch. Er wollte lachen. Er hätte den Mann verbessern müssen.
„Ja“, sagte er schließlich. „Ich mache Dinge mit Sachen. Woher wissen Sie das?“
„Vielleicht ist es ja so am besten“, erwiderte Fairfield. „Sie kennen vielleicht eine Reihe von Kuren, die mir bislang nicht zugänglich waren. Dies hier ist am Ende vielleicht wirklich das Beste für sie.“
Anjan nickte nicht. Er lächelte auch nicht. „Ich bin gerne bereit, alles zu versuchen, das mir sinnvoll erscheint“, erklärte er, und Fairfield wirkte selbstzufrieden.
„Gut, gut. Aber – nur, um das zu klären – wir werden das in den Ehevertrag aufnehmen. Sie wird nicht lebendig verbrannt.“
„Nun gut“, stimmte Anjan großmütig zu, „Sie müssen schließlich das Wohlergehen Ihrer Nichte im Blick haben.“
D AS E NDE BRACH so schnell über sie herein, dass Jane gar nicht begriff, dass sie es vor sich sah, bis der Augenblick bereits vorbei war.
Das Ende kam erst in Gestalt von Freude – als Olivers Nachfragen rasch eine Antwort erbrachten. Es gab einen Anwalt namens Anjan Bhattacharya. Seine Anschrift wurde herausgefunden, Nachrichten über Boten hin und her gesandt, und zwei Stunden später fand sich Jane im Hotel ihrer Schwester wieder und schloss Emily in die Arme.
Emily war kaum in der Lage, zusammenhängend zu sprechen. Sie hatte soeben ein Stück Papier erhalten, ein Telegramm ausgerechnet von Titus.
„Ich kann es nicht glauben“, sagte Emily. „Ich habe keine Ahnung, was Anjan zu ihm gesagt hat, aber er ist einverstanden. Ich werde heiraten! Er wird nicht länger mein Vormund sein. Es ist vorbei.“
Es war vorbei. Jane lachte mit ihrer Schwester und willigte ein, ihre Brautjungfer zu sein – umarmte sie wieder und wieder, lauschte ihrer Beschreibung, wie schwierig es war, wenn man zwei Hochzeitszeremonien
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