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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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Gesindel.
    „Aber das Gesindel kümmert sich gewöhnlich um sich selbst“, fuhr Bradenton fort. „Darum geht es ja bei einer Institution wie Cambridge. Ein Studium in Cambridge steht jedem offen, daher entscheiden sich alle, die etwas aus sich machen wollen, dafür, hier anzufangen. Wenn man es richtig anstellt, sind die Ehrgeizigen, wenn sie ihren Abschluss haben, wie wir geworden. Oder wollen mindestens so dringend zu uns gehören, dass sie ihren Ehrgeiz über kurz oder lang dem Wunsch, dazuzugehören, unterordnen.“
    Er nickte zu Oliver.
    Früher hätte Oliver sich über eine solche Rede geärgert. Die versteckte Anspielung, dass Oliver nicht wirklich dazu gehörte und die subtiler darin enthaltene Andeutung, dass er sich Bradentons Zielen untergeordnet habe, statt ein selbstständig denkendes Wesen zu sein …
    Als er dreizehn war, hatte er Bradenton genau dafür zu Boden gesandt. Aber jetzt verstand er es. Bradenton erinnerte ihn an einen alten Bauern, der jeden Tag seinen Besitz ablief, die Zäune prüfte und argwöhnisch zu seinen Nachbarn schaute, dafür sorgte, dass sein Land klar von ihrem abgegrenzt war.
    Oliver hatte Jahre benötigt, um seine Lektion zu lernen: Halt den Mund, und lass Leute wie Bradenton ihre Zäune prüfen. Es würde ihnen nicht helfen. Wenn man vorsichtig vorging, würde man eines Tages in der Lage sein, den ganzen verdammten Bauernhof zu kaufen.
    Und daher schwieg Oliver und lächelte.
    „Die Damen werden gleich eintreffen“, stellte Bradenton fest, „falls Sie also gerne einen Brandy hätten …“ Er deutete ins Innere des Hauses.
    „Brandy“, entschied Whitting, und die Herren begaben sich in ein Nebenzimmer.
    Bradenton hatte ein ganzes Zimmer, das allein diesem Zweck diente – es gab ein Sideboard mit Gläsern und eine Karaffe mit bernsteinfarbener Flüssigkeit. Aber wenigstens war der Raum kleiner und damit etwas wärmer. Der Marquis schenkte großzügig Brandy in bauchige Gläser. „Sie werden das hier brauchen“, erklärte er und reichte erst seinen Neffen ihre Gläser, dann Oliver.
    Oliver nahm den Brandy. „Vielen Dank, Bradenton. Da wir gerade von kommendem Februar sprechen, da wäre etwas, worüber ich gerne mit Ihnen reden würde. Das Wahlreformgesetz, das in der nächsten Sitzungsperiode des Parlaments …“
    Bradenton lachte und hob sein Glas. „Nein, nein“, sagte er. „Wir werden jetzt nicht über Politik diskutieren, Marshall.“
    „Nun gut. Wenn nicht jetzt, dann vielleicht später. Morgen oder …“
    „Oder übermorgen oder irgendwann anders“, beendete Bradenton den Satz für ihn mit einem Funkeln in den Augen. „Wir müssen Hapford beibringen, wie er vorankommt, bevor wir ihm erklären, worum es geht. Jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt.“
    Das war offenbar eine Einstellung, die nicht von allen Anwesenden geteilt wurde. Hapford hatte interessiert aufgeschaut, als Oliver das Thema angesprochen hatte. Bei dieser Antwort seines Onkels runzelte er die Stirn und wandte sich ab.
    Oliver hätte Einwände erheben können. Aber …
    „Wie Sie möchten“, erwiderte er milde. „Später.“
    Ein Mann wie Bradenton legte Wert darauf, dass man sich nach seinen Wünschen richtete. Er brauchte einen Nachbarn, der fünf Schritt vor dem Zaun stehen blieb, statt den Grenzverlauf anzufechten. Oliver hatte den Mann schon bei früheren Gelegenheiten auf seine Seite gezogen und wusste daher, wie das ging. Bradenton konnte gelenkt werden, solange niemand ihm die Illusion raubte, dass er das Sagen hatte.
    Stattdessen ließ Oliver die Unterhaltung ihren Lauf nehmen, man sprach über gemeinsame Freunde, das Befinden von Olivers Bruder und dessen Gattin. Ein paar Momente konnten sie so tun, als ob es nichts als ein gemütliches Beisammensein war. Aber dann hob Bradenton, der am Fenster stand, die Hand.
    „Bitte trinken Sie aus, meine Herren“, sagte er. „Die erste Dame ist eingetroffen.“
    Whitting blickte aus dem Fenster. Ihm entfuhr ein Wimmern. „Oh Himmel, bitte nicht. Sagen Sie nicht, dass Sie die Feder-Erbin eingeladen haben.“
    „Die Schuld trägt Ihr Cousin.“ Bradenton hob eine Braue. „Hapford möchte ein paar ungestörte Minuten mit seiner Verlobten verbringen. Und aus irgendeinem Grund hat Miss Johnston darauf bestanden, dass Miss Fairfield eingeladen wird.“
    „Wo wir gerade von ihr sprechen“, sagte Hapford mit stiller Würde, die auf seinem jungenhaften Gesicht fehl am Platze wirkte. „Ich ziehe es vor, wenn über eine Freundin meiner

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