Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
dazu führte, dass Emily in Sicherheit war.
Stattdessen musste sie in den nächsten vierhundertachtzig Tagen nach einem Ehemann Ausschau halten, und das sehr angestrengt, dabei aber keinesfalls heiraten.
Diese beiden Zahlen umschrieben die Mauern ihres Gefängnisses.
Und daher lächelte Jane Geraldine noch einmal an, dankbar für ihren Ratschlag, dankbar, dass sie einmal mehr fehlgeleitet wurde. Sie lächelte und meinte es vollkommen ernst.
Ein paar Tage danach
M R. O LIVER M ARSHALL hätte seinen Mantel am liebsten gar nicht dem Butler überlassen, als er das Haus des Marquis of Bradenton betrat. Er konnte die Kälte durch seine Handschuhe hindurch spüren, den eisigen Winterwind, der an den Fensterläden rüttelte. Das Drahtgestell seiner Brille fühlte sich wie Eis an seinen Ohren an. Aber es war zu spät.
Bradenton, sein Gastgeber, trat vor. „Marshall“, sagte er freundlich. „Wie schön, Sie wiederzusehen.“
Oliver streifte sich die Handschuhe ab und schlüpfte aus dem dicken Mantel, schüttelte dem Marquis die ausgestreckte Hand.
„Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite, Mylord. Es ist zu lange her.“
Bradentons Hände waren ebenfalls kalt. Er war in den vergangenen Jahren um die Mitte voller geworden, und der Ansatz seines dünnen dunklen Haars war weit über die Stirn zurückgewichen, aber das Lächeln, mit dem er Oliver begrüßte, war wie immer: freundlich, aber kühl.
Oliver unterdrückte einen Schauder. Es war egal, wie hoch die Dienstboten die Kohle im Kamin schichteten, wie fröhlich das Feuer brannte, das sie daraus entzündeten. In diesen vornehmen alten Häusern schien der Winter immer die Oberhand zu behalten. Die Decken waren zu hoch, die Marmorböden verströmten Eiseskälte, die selbst durch die Sohlen der Schuhe zu dringen schien. Wohin Oliver auch blickte, überall sah er Spiegel, Metall und Stein – kalte Oberflächen, die dadurch noch kälter wurden, dass sich inmitten von weitem leerem Raum befanden.
Es würde wärmer werden, wenn sie das Vestibül verließen, sagte Oliver sich. Wenn mehr Leute kamen. Für den Augenblick waren außer ihm und Bradenton nur noch zwei weitere junge Männer anwesend. Bradenton winkte sie zu sich.
„Hapford, Whitting, dies ist Oliver Marshall, ein alter Schulfreund. Marshall, dieser junge Herr hier ist mein Neffe John Bloom, der neue Earl of Hapford.“ Der Marquis of Bradenton deutete auf den Mann auf der einen Seite, ernst und blass. „Und Mr. George Whitting, mein anderer Neffe.“ Er machte eine Handbewegung zu dem anderen mit sandfarbenem Haar und langen Koteletten. „Meine Herren, darf ich Ihnen Oliver Marshall vorstellen? Ich habe ihn eingeladen, damit er hilft, Ihren Horizont zu erweitern.“
Oliver nickte ihnen grüßend zu.
„Mir ist die Aufgabe zugefallen, Hapford den Weg zu ebnen“, erläuterte Bradenton. „Er wird ab nächstem Monat seinen Sitz im Oberhaus einnehmen – etwas, womit keiner von uns rechnen konnte.“
Hapford trug eine schwarze Binde um einen Ärmel, seine ganze Kleidung war dunkel. Vielleicht gab es einen Grund für die Kälte und die bedrückte Atmosphäre im Haus.
„Es tut mir leid, von Ihrem Verlust zu hören“, sagte Oliver höflich.
Der neue Earl straffte die Schultern und blickte zu Bradenton, bevor er antwortete: „Danke. Ich bin entschlossen, mein Bestes zu geben.“
Dieser Blick, diese Ehrerbietung dem anderen Mann gegenüber … Das war der Grund, weshalb Oliver hier war. Nicht um alte Schulfreundschaften wieder aufleben zu lassen, die über die Jahre schal geworden waren. Bradenton gehörte zu den Männern, die Neuzugänge im Parlament unter ihre Fittiche nahmen. Er nahm sie unter seine Fittiche und bemühte sich dann, sie unter seine Anhänger zu scharen. Mittlerweile hatte er ein hübsches Gefolge beisammen.
„Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit gehabt, dich vorzubereiten, aber du machst deine Sache bislang recht ordentlich.“ Bradenton schlug seinem Neffen anerkennend auf die Schulter. „Und Cambridge ist kein schlechtes Pflaster, um zu üben. Es ist die Welt in Klein, eine Art Mikrokosmos. Und du wirst sehen. Im Parlament ist es gar nicht so viel anders als hier.“
„Ein Mikrokosmos der Welt?“ Das bezweifelte Oliver. Er hatte jedenfalls in Cambridge noch keinen Grubenarbeiter getroffen.
Aber Bradenton verstand ihn falsch. „Ja, es gibt sogar Gesindel hier.“ Er schaute zu Oliver.
Oliver sagte darauf nichts. Für einen Mann wie Bradenton zählte auch er zu
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