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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wurde die herrliche Stimme kalt und wesenlos. Es war, als singe ein Automat.
    Verstört starrte der Kapellmeister die Palvietti an. Ihr Gesicht war starr, maskenhaft, erschreckend in seiner unterdrückten Wildheit. Mit aller Kraft, jenseits allen Gefühls, schleuderte sie die Töne aus sich heraus, als sollten die Wände des Raumes zerbersten. Der Blick des erschrockenen Pianisten glitt zu den Gästen, hilflos, als wolle er sie um Verzeihung bitten … Und dann sah auch er es:
    In der ersten Reihe saß Englands großer alter Mann, die Hände über dem Bauch gefaltet, das Kinn angedrückt, die Beine von sich gestreckt, die Augen geschlossen. Beim Atmen blähten sich seine Nasenflügel. Ab und zu, bei einem hohen Ton der Palvietti, huschte ein Zucken über sein Gesicht.
    Winston Churchill schlief.
    In der Nacht bekam die Palvietti einen hysterischen Anfall. Sie schrie, wälzte sich auf dem Bett, warf ihrem Mann Giuseppe an den Kopf, was sie erwischen konnte, hieb mit Fäusten gegen die Kabinenwand und zerkratzte Giuseppes Handrücken, als er ihr ein Glas Champagner reichen wollte. »Das vergesse ich ihm nie, nie!« schrie sie. »So ein alter Flegel! So ein Klotz! Er ist Luft für mich! Luft – Luft – Luft!«
    Giuseppe Palvietti ließ sie allein, eilte in den Salon und traf dort Stavros einsam an der Bar. Bebend vor Erregung setzte er sich neben ihn auf einen Barhocker. »Das ist unerhört!« keuchte er. »Das ist der Gipfelpunkt der Geschmacklosigkeit. Irena ist außer sich! Wie kann man bei einem Konzert der Palvietti einschlafen?! Das ist unentschuldbar!«
    »Er ist ein alter Mann, Giuseppe. Wenn Sie einmal so alt sind wie er …«
    »Bald bin ich es!« schrie Palvietti. »Aber ich werde immer jünger, wenn ich Irenas Stimme höre! Das ist keine Entschuldigung. Irena will ihm das nie vergessen.«
    »Churchill wird es überleben«, sagte Stavros trocken. »Was trinken wir?«
    »Mir ist die Kehle zugeschnürt.«
    »Brennen wir sie auf. Einen Ouzo?«
    »Um Gottes willen, nein! Dann schon lieber einen Kognak.«
    Stavros holte einen uralten Prince de Paulignac aus dem Regal und goß ein Napoleonglas randvoll. Palvietti starrte entsetzt den Ochsentrunk an.
    »Danach werde ich drei Tage lang krank sein«, sagte er.
    »Davon nicht!« Stavros prostete ihm mit einem Glas Ouzo zu, diesem Anisschnaps, den jeder Fischer in Griechenland trinkt. Wenn es in Griechenland keinen Ouzo mehr gibt, gibt es auch kein Griechenland mehr. »Wollen Sie Irena auch einen Kognak bringen?«
    »Sie trinkt keinen Kognak.«
    »Den Prince de Paulignac mag sie besonders …«
    »Das ist mir neu! Irena und Kognak? Seit wann?«
    »Sie lieben Ihre Frau?«
    »Wie können Sie so etwas fragen, Stavros?«
    »Wir sollten ehrlich zueinander sein, Giuseppe.« Stavros nahm einen Schluck. Seine dunkle Hornbrille funkelte in der dezenten Barbeleuchtung. »Ich mag Sie. Wir sollten keine Konkurrenten sein.«
    »Was? Wollen Sie jetzt auch ins Baugeschäft einsteigen?« rief Palvietti.
    »Da bin ich über verschiedene Querverbindungen schon längst drin.« Stavros grinste. »Ich denke an persönliche Dinge. Der heutige Abend sollte ganz anders verlaufen. Nach dem Konzert und dem schönen Essen wollte Irena mit Ihnen sprechen.«
    »Das hat sie auch getan. Aber wie!« Giuseppe umklammerte mit beiden Händen sein Kognakglas. Plötzlich schien er den Sinn von Stavros' Worten zu begreifen und blickte ihn irritiert an. »Was heißt das: Irena wollte mit mir sprechen?«
    »Darum fragte ich ja: Lieben Sie Ihre Frau?«
    »Sie ist der ganze Inhalt meines Lebens. Ohne sie wüßte ich mit mir nichts mehr anzufangen.«
    »Unter Männern, Giuseppe: Haben Sie Ihre Frau noch nie betrogen?«
    »Nie, Stavros!«
    »Es gibt so viele schöne Frauen auf der Welt. Herrliche Frauen! Aphroditen! Sie sind noch in einem Alter, wo man so etwas genießen kann.«
    »Danke! Was soll das alles? Haben Sie an Bord eine Auswahl hübscher Mädchen zur Gästebetreuung? Stavros, das ist nicht Ihr Stil!«
    »Mein Schiff war nie ein Puff!« sagte Penopoulos hart. »Außerdem liebe ich klare Verhältnisse. Giuseppe, könnten Sie sich von Ihrer Frau trennen?«
    »Unmöglich! Warum auch?« Palvietti grinste schief. »Sie von Genia auch nicht – wenn ich fragen dürfte.«
    »Fragen Sie!«
    »Gut! Spielchen um Mitternacht.« Palvietti stellte sein Kognakglas ab. »Könnten Sie sich von Ihrer Frau Genia trennen?«
    »Ja.«
    Palvietti zuckte zusammen wie unter einem Peitschenschlag. Dieses Ja kam wie aus dem

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