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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Penopoulos zu sein, umarmte Stavros nach griechischer Sitte. Die alte Weisheit bestätigte sich wieder: Der betrogene Ehemann erfährt es zuletzt.
    »Kennen Sie Papa gut?« fragte Lyda. Sie tippte Churchill auf den Bauch. Der alte Mann drehte den Kopf wieder zurück. Der Prinz von Laquière begrüßte Irena, indem er trällerte: »La donna è mobile …« Die Palvietti bedachte ihn mit einem wütenden Blick.
    »Ich kenne deinen Vater ganz gut«, sagte Churchill und schob den breiten Strohhut etwas aus dem Nacken. Er paffte an seiner Zigarre und drehte sie zwischen den Lippen.
    »Kannst du ihm nicht sagen, daß er zu Mama zurückkommen soll?«
    »Nein, das kann ich nicht. Das ist eine Sache, die nur dein Papa entscheiden kann.«
    »Aber Mama weint Tag und Nacht.«
    »Ich weiß es, Lyda.« Churchill legte seine Zigarre auf den Tisch und erhob sich schwerfällig. Die Palvietti, von Stavros untergehakt, kam auf ihn zu. Giuseppe folgte ihnen mit strahlendem Gesicht, ein ahnungsloser Clown.
    »Ich mag deine Mutter sehr …«, sagte Churchill.
    Lyda nickte und lief weg, als Irena Palvietti den großen Mann Englands fast so schüchtern wie ein Schulmädchen begrüßte.
    Am Abend gab Stavros ein Festkonzert im großen Salon der ›Genia II‹. Außer den Jachtgästen waren noch andere bekannte Persönlichkeiten an Bord gekommen, die sich zur Zeit in Venedig erholten. Der 1. Kapellmeister der Oper von Venedig saß an dem großen weißen Flügel, um Irena Palvietti zu begleiten. Im Halbrund hatte man die mit Damast bezogenen Sessel aufgestellt; drei Diener in weißen Jacken warteten im Hintergrund an einer Bar auf die Wünsche der hohen Gäste. In der ersten Reihe saß Winston Churchill, wie alle in einem makellosen Smoking; breit, wuchtig, schon zu Lebzeiten ein Denkmal.
    Stavros erfüllte seine Hausherrenpflicht mit einigen Begrüßungssätzen. Er war der einzige, dessen Smoking aussah, als habe man ihn gerade gewaschen und notdürftig getrocknet. Eleganz war nicht seine Sache. Diesen Abend gab Stavros Irena zu Ehren, die zum erstenmal vor Churchill – und noch dazu in so intimem Rahmen – singen durfte. Im Speisesaal wartete ein ausgesuchtes Dinner; das war für Stavros das ersehnte Ziel des Abends. Gutes Essen, Champagner, schöne Frauen, berühmte Namen: alles um ihn geschart, um ihn, den kleinen, schmutzigen Griechenjungen aus New York, der nie einen richtigen Freund gehabt hatte. Damals nicht, weil er zu arm war. Heute nicht, weil er zu reich war. Einsamkeit ist die Münze, mit der man für den Erfolg zu zahlen hat. In einem Traumkleid aus dunkelblauer Seide, das schwarze Haar hochgesteckt und mit Blüten durchflochten, trat Irena Palvietti an den Flügel. Stavros eilte zu ihr, küßte ihr die langen, im Vergleich zu ihrem Körper erstaunlich mageren Hände und sonnte sich mit ihr im Applaus. Auch Churchill klatschte ein paarmal, rutschte dann in seinen Sessel zurück, zog den Kopf ein und wartete auf das Konzert.
    Die Palvietti begann mit der Glöckchen-Arie aus ›Lakmé‹ von Delibes. Ein Bravourstück jeder Sopranistin, von glockenreinen, höchsten Tönen getragen, ein Perlen der Koloraturen, das immer wieder die Frage aufwarf: Wie kann eine menschliche Stimme das nur hervorbringen?
    Nach dem letzten Ton brach der Jubel los. Die Palvietti verneigte sich tief. »Phänomenal!« rief Stavros laut, obgleich er nichts davon verstand und nicht viel anderes als ein leidenschaftliches Kreischen vernommen hatte. Für ihn war diese Art Musik ein Greuel. Ein griechischer Sirtaki, ja, da konnte man mitsingen, da konnte man im Kreise mittanzen … Aber das hier: Töne rauf, Töne runter, je schriller, um so künstlerischer – er hatte einfach kein Ohr dafür.
    »Als nächstes singt Frau Palvietti die Arie der ›Tosca‹: ›Nur der Schönheit weihe ich mein Leben‹«, kündigte der Kapellmeister an. Er rückte näher an den Flügel, spreizte die Finger und begann mit einem kurzen Vorspiel. Winston Churchill rutschte noch tiefer in seinen Sessel. Er blickte die Palvietti an und bemerkte, wie sie Stavros einen verliebten Blick zuwarf. Dann sang sie. Jene Arie, die überall, wo sie gesungen wird, die Menschen ergreift und erschüttert. Die ganze Sehnsucht und Qual einer liebenden Frau ist hier Musik geworden.
    Plötzlich, mitten in der Arie, zuckte der Kapellmeister am Flügel zusammen. Ein harter, falscher Ton hatte sich in die reinen Melodienbögen fallen lassen. Von allen unbemerkt, nur ein einziger Ton, aber von da an

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