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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bleischweren Schädel. Sie lag nackt im Bett und konnte sich nicht erinnern, sich ausgezogen zu haben, noch wußte sie, wie sie ins Hotel gekommen war. Fetzen des Geschehens versuchte sie zusammenzukleben: die Bar, das endlose Tanzen, eng umschlungen mit Boris, die Show auf der Bühne mit den sich entkleidenden Mulattinnen, das überlaute Orchester, die Kübel von Alkohol, die man getrunken haben mußte … Sie schloß die Augen, atmete tief durch, verspürte einen heftigen Brechreiz und einen würgenden Ekel. Es roch noch immer nach Alkohol, nach Rum, nach Tee mit Rum …
    Sie setzte sich mit einem Ruck auf. Die Jalousien waren hochgezogen, die Morgensonne flutete unangenehm hell ins Zimmer, ein leichter Wind drang durch die geöffneten Fenstertüren und blähte die Gardinen.
    »Guten Morgen, mein Schatz!« sagte Lobow fröhlich. Er erhob sich vom bereits gedeckten Tisch in der Mitte des großen Raumes und kam zu dem um zwei Stufen höheren Schlafteil, der mit seinem breiten Bett und dem Spitzenhimmel darüber wie eine dekorierte Bühne aussah. In beiden Händen hielt er einen großen Rosenstrauß und legte ihn Lyda zu Füßen auf die Bettdecke. Blaßrote Rosen von einer Blütenpracht, wie sie selbst Lyda noch nicht gesehen hatte.
    »Mein Gott, was ist denn heute für ein Tag?« fragte sie und beugte sich vor. Sie streichelte die Knospen und wischte sich das Haar aus der Stirn. »So schöne Rosen!«
    »Ich habe sie erst im neunten Geschäft bekommen. Eine Stunde bin ich herumgefahren. Es sollten ganz besondere Rosen sein.«
    »Sie sind es.« Ihr Kopf brummte. »Wie schrecklich munter du bist! Wie lebendig. Ich sterbe …« Sie blickte an sich hinunter, erkannte ihre völlige Nacktheit und zog den Rosenstrauß vor ihre Brüste. »Ich weiß nichts. Hast du bei mir geschlafen? War ich schrecklich? Ich erinnere mich an nichts mehr.«
    »Ich habe dich allein gelassen. Du warst geradezu ohnmächtig.«
    »Furchtbar! Wer hat mich ausgezogen?«
    »Ich.«
    »O danke. Dieser Alkohol! Alles riecht nach Rum! Mir dreht sich der Magen um.«
    »Ich bin ein Esel!« sagte Lobow zerknirscht. »Der Alkohol bin ich.«
    »Du?« Sie starrte ihn entgeistert an.
    »Das Frühstück. Ich habe Tee bestellt, Tee mit Rum. Dort« – er zeigte nach hinten in den Raum auf den gedeckten runden Tisch. »Ich wollte dich überraschen. Nun war es wieder falsch.« Er hob beide Arme und ließ sie wieder an den Körper fallen. »Ich bin eben doch nur ein russischer Bauer …«
    »Komm her!« sagte sie zärtlich. Sie ließ die Rosen fallen und streckte die Arme nach ihm aus. »Komm her.« Ihre Nacktheit regte ihn auf, obgleich er sich dagegen wehrte und an Pujatkin dachte, was alle Gefühle schon im Keim ersticken mußte. Aber sein Trieb war stärker. Er setzte sich auf die Bettkante und ließ seinen Kopf auf ihre Brust sinken. Sie krallte die Hände in sein blondes Haar, preßte sein Gesicht in das weiche, duftende Tal ihres Busens und seufzte auf, als er die Arme um sie schlang.
    Später saßen sie am Tisch, frühstückten opulent mit Eiern, Schinken, Kaviar und einer Käseplatte, tranken sogar den Tee mit Rum und waren glücklich. Niemand belästigte sie; an der Klinke vor der Tür hing das Schild: Nicht stören. Lyda hatte ihre schwarzen Haare mit einem roten Band zusammengebunden und sah so jung aus, als habe sie ihre Haut mit der eines eben erwachsen gewordenen Mädchens getauscht. Sie trug ihren seidenen Morgenmantel und darunter nichts. Von draußen drang gedämpft der Lärm der Riesenstadt ins Zimmer. Vor den Fenstern des Apartments blickte man auf einen großen tropischen Park.
    »Ich habe mir etwas ausgedacht«, sagte Lobow und biß herzhaft in ein knackiges Hörnchen. »Wir fliegen morgen nach Sao Paulo.«
    »Wundervoll! Was ist da los?«
    »Ein Autorennen.«
    Lobow zuckte zusammen. Das Messer, auf dem Lyda gerade eine Scheibe Schinken balanciert hatte, fiel klirrend auf den Teller. Die Schinkenscheibe segelte auf den Teppich. Mit weiten Augen, als würge sie jemand, bekäme sie keine Luft mehr, mit verzerrtem Mund und zitternden Händen starrte sie Lobow an. Es war ein Anfall, der ihn entsetzt aufspringen ließ.
    »Himmel, was hast du?« rief er und lief um den Tisch zu ihr. Sie stieß ihn mit beiden Fäusten von sich, als er sie umarmen wollte, riß sich das Band aus dem Haar, zerwühlte ihre notdürftige Frisur. Lobow wich zurück, tupfte sich mit der Serviette über das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ich hole einen Arzt …«,

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