Die Erbin
Jegorowitsch! Nicht allein, daß Sie sich auf unsere Kosten amüsieren, jetzt werden Sie auch noch zum Sadisten!« Pujatkin starrte seine Frau an. Sie saß auf der Bettkante, in einem langen weißen Leinennachthemd, und blickte böse. Tichon Pawlowitsch seufzte ergeben. »Wie ist die Lage?«
»Hervorragend! Kennen Sie frischen Ziegenkäse aus Astrachan?«
»Sie sind besoffen, Lobow!« sagte Pujatkin grob. »Dieses Gespräch hier bekommen Sie nicht aufs Spesenkonto. Das bezahlen Sie!«
»Ich wollte nur einen russischen Vergleich anbringen.« Lobow nahm einen Schluck Wodka. Die Verständigung war so klar, daß Pujatkin das Schlucken hörte.
»Sie saufen ja immer noch!« rief er strafend.
»Ich wollte Ihnen melden, daß Lyda in meinen Händen weich ist wie …«
»Sie sind ein durch und durch unmoralischer Mensch, Lobow!«
»Danke, Genosse Oberst.« – »Wofür danke?«
»Daß Sie auch so denken. Ich wollte Ihnen einen Gefallen tun. In Wahrheit ist das, was wir mit Lyda treiben, ein infames Spiel mit den edelsten Gefühlen einer Frau.«
»Was ist mit Ihnen los, Boris Jegorowitsch?«
»Lyda ist anders, als es unsere Recherchen dargestellt haben. Das war eben nur Papier! Man kann einen Menschen nicht auf ein paar Seiten pressen. Ein Mensch, vor allem eine Frau, ist zu vielschichtig. Bei Lyda kommt hinzu, daß man sich ihrer Herkunft wegen ein ganz schiefes Bild macht. Die Welt sieht nur die Milliarden-Erbin. Die Tochter des großen Stavros Penopoulos. Die Frau mit den zwei gescheiterten Ehen. Die Löwin, die gegen die Witwe Nany Johnes kämpft. Die Ruhelose, die – darin ihrem Vater gleich – durch die Welt rast und sich in flüchtige Abenteuer einläßt. Das alles ist sie – und ist sie doch nicht!«
»Studieren Sie jetzt heimlich Psychologie?« fragte Pujatkin spöttisch.
»Das Zusammensein mit Lyda ist angewandte Psychologie. Ich … ich beginne, sie zu lieben.«
»Boris Jegorowitsch! Was jetzt kommt, ist ein Befehl: Legen Sie sich hin, und schlafen Sie sich aus! Ich wußte gar nicht, daß Sie weinerlich werden, wenn Sie zuviel getrunken haben!«
»Ich liege bereits, Genosse Oberst.« Lobow streckte sich auf seinem Bett aus. »Lyda möchte gern nach Leningrad.«
»Das kann sie. Jederzeit. Wer will ihr das verwehren? Jedes Jahr besuchen Hunderttausende aus dem Westen Leningrad.«
»Sie will ein Haus kaufen.«
»In Leningrad?!«
»Und dort mit mir wohnen.«
»Zu früh, Lobow, zu früh! Das ist auch nur wieder eine Laune! Im Augenblick sind Sie Favorit – aber sind Sie es auch noch in einem Jahr? Das wäre eine Niederlage, wenn Sie nur eine Station wären und nicht der Endbahnhof! Wir müssen auf lange Zeit planen! Sie müssen für Lyda unentbehrlich werden! Es darf für sie nichts anderes mehr geben als Sie! Aber soweit sind Sie noch nicht! Der Blödsinn mit Leningrad beweist es. Das Vögelchen hat das Flattern noch nicht verlernt; man muß es ans Nest gewöhnen! Lobow, treten Sie etwas auf die Bremse! Es kommt jetzt die Zeit, wo Sie sich rar machen müssen. Wo Lyda nach Ihnen rufen muß! Wo sich zeigen muß, wie echt ihre Liebe ist. Werden Sie nach ein paar Monaten gegen einen anderen Mann ausgetauscht, haben Sie verloren. Und das heißt: wir alle! Damit muß man rechnen.«
»Ich glaube es nicht.«
»Viel Glück jedenfalls, Lobow! Und denken Sie immer daran: Eine Frau liebt am intensivsten, wenn sie unglücklich ist!«
Pujatkin legte auf. Er strich sich über das Haar, schlug die Bettdecke zurück und streckte sich aus. Die Pujatkina saß noch immer mit bösem Blick auf der Bettkante.
»Wer dich reden hört, muß denken, hier spräche der größte Fachmann in Sachen Liebe!« sagte sie und klopfte auf ihr Kopfkissen. »Wie traurig ist die Wirklichkeit!«
»Die größten Feldherren waren Theoretiker!« brummte Pujatkin. »Gute Nacht.«
»Ich bin auch eine unglückliche Frau.«
»Seit dreißig Jahren, ich weiß. Da hilft keine Therapie mehr!« Pujatkin drehte sich auf die Seite, kniff die Nasenflügel zusammen und täuschte ein pfeifendes Schnarchen vor. Rio de Janeiro, dachte er dabei. Blankbusige Mulattinnen mit Pfeffer in den Hüften!
Er hörte, wie sich die Pujatkina mit einem Seufzer hinlegte und zudeckte. Dann ging das Licht aus. Ruhe.
Pujatkin schnarchte weiter mit einem leisen Pfeifen, aber er dachte intensiv nach.
Daß Lobow begann, sich in Lyda Penopoulos zu verlieben, gefiel ihm gar nicht. In seinem Hirn schlug ein Alarmglöckchen an.
Am nächsten Morgen erwachte Lyda mit einem
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