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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vor dieser Frau – und auf der Flucht vor Papas Unglück. Da – da traf ich ihn.«
    »Wen?« fragte Lobow mit rauher Stimme, und die war nicht künstlich, die war echt. Dieser andere Mann, der vor sechs Jahren – lag es an ihm, daß Lobow sich plötzlich unbehaglich fühlte?
    »Jérome Marcel«, sagte sie leise. »Er war Rennfahrer, Formel I. Ein Mensch ohne Nerven.«
    Das Festbankett zu Ehren der Rennfahrer-Elite im ›Hotel de Paris‹ von Monaco war in vollem Gange. Aus den riesigen Kristallüstern des großen Ballsaales fiel das gleißende Licht über Hunderte von sündhaft teuren Abendkleidern, Kreationen der berühmtesten Modeschöpfer, über Fräcke und weiße oder schwarze Smokings, brach sich funkelnd in den Brillantcolliers und Diamanthalsbändern der Damen. Die ebenfalls in Abendtoilette gekleideten Detektive, die sich unter die Ballgäste gemischt hatten, schätzten als Fachleute den hier versammelten Schmuck auf ungefähr 20 Millionen Dollar. Es war ein Aufmarsch von Reichtum und Schönheit, wie ihn selbst Monte Carlo nicht oft erlebte, allenfalls bei den Wohltätigkeitsbällen des Fürsten Rainier.
    Nicht nur das Hotel glänzte, dieser Wohnpalast aus der Jahrhundertwende, der zu den besten Etablissements der Welt gehörte und in dessen Gästebüchern die Namen fast aller Frauen und Männer stehen, die einem Jahrhundert Glanz und Profil gegeben haben. Auch die Boulevards waren erleuchtet, Scheinwerfer tauchten das Spielkasino mit Kuppelbau und Türmchen in taghelles Licht; im Hafen hatten die Jachten über die Toppen geflaggt und bunte Lichterketten gezogen von Mast zu Mast, und oben auf dem Felsen schimmerte, von allen Seiten angestrahlt, gleich einem Märchenpalast das Schloß der Grimaldis. Und alles war umhüllt von einer samtweichen Nacht mit einem grandiosen Sternenhimmel. Monte Carlo – die schönste Stadt der Welt? Die attraktivste bestimmt, sobald ihre Lichter wie tausend Diamanten zu funkeln beginnen.
    Jérome Marcel hatte beim Großen Preis von Monaco nicht gesiegt, aber er war Zweiter geworden. Für sich selbst – und auch für die anderen, selbst für die Fachpresse – war er der wahre Sieger. Ein zu langsamer Radwechsel hatte ihn Sekunden gekostet und ihn vom ersten Platz, den er bis dahin unangefochten gehalten hatte, verdrängt. Er hatte zwar alles auf eine Karte gesetzt, war gefahren wie ein Teufel, hatte drei Wagen überholt, aber gegen den Spitzenreiter kam er nicht mehr an. Mit nur zwei Sekunden Differenz schossen sie durchs Ziel. Ohne den lahmen Monteur, der um drei Sekunden zu langsam war, hätte das Ergebnis anders ausgesehen.
    Man sagte es Marcel, beglückwünschte ihn fast mehr als den Sieger, vor allem die Frauen umdrängten ihn, wollten mit ihm Champagner trinken und stellten ihre Reize in den tief ausgeschnittenen Kleidern zur Schau.
    Jérome Marcel war zu allen freundlich, ein lieber Junge, wie die Presse schrieb, unkompliziert, ehrlich, draufgängerisch, ein Mann ohne jegliche Angst, ein Fahrer von exzellentem Können. Er fuhr nicht nur, er lebte mit seinem Wagen. So hart der Job war, so todesnah jede Runde – er verlor nie eine gewisse Zärtlichkeit gegenüber seinem Wagen. Nach jedem Rennen streichelte er ihn wie eine Geliebte. Auch jetzt war er im Gewühl von so viel entblößtem, parfümiertem Fleisch, so viel Gezwitscher und Augenflirt und unter einem Dauerregen von Komplimenten nur der große Junge, der sich selbst darüber wunderte, daß er so erfolgreich war. Er lachte, seine weißen, starken Zähne blitzten. »Wie ein Raubtier!« sagte eine seiner Verehrerinnen selig. Er prostete mit seinem langstieligen Champagnerglas allen zu, als spielte er eine Szene aus der ›Fledermaus‹ und tanzte abwechselnd mit den Frauen, die ihm lästig werden wollten. So gut wie er als Fahrer war, so schlecht tanzte er; ein paarmal trat er den Damen kräftig auf die Füße, aber sie betrachteten es anscheinend als Auszeichnung und ließen sich von ihm mit seufzender Lust mißhandeln.
    Als er sich hinter eine Säule geflüchtet hatte, wo er sich ein neues Champagnerglas geben ließ und etwas Distanz zu all den halbentblößten Brüsten und den sinnlich geöffneten, feuchten Lippen bekam, stieß sein Rennkollege Pierre Lafond zu ihm. Lafond war der ewige Dritte. So etwas gibt es nur einmal; er hatte sich daran gewöhnt. Als er dreimal auf dem Hockenheimring Zweiter geworden war, hatte ihn das total verwirrt. Er ließ seinen Wagen untersuchen, denn irgend etwas stimmte da nicht.

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