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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stotterte er.
    »Was soll ein Arzt?« fauchte sie. Ihre Haltung veränderte sich wieder. Wie ein bedrängtes Tier kauerte sie sich zusammen, wie nach allen Seiten sichernd. »Warum hast du das gesagt?«
    »Was?« fragte er hilflos.
    »Sao Paulo!«
    »Eben … eben warst du noch begeistert …«, sagte er verständnislos.
    »Du hast – Autorennen gesagt!«
    »Ja. Auf dem Rundkurs. Die besten Fahrer der Welt sind da. Es wird ein Ereignis werden. Ich habe heimlich Karten gekauft, um dich zu überraschen.«
    »Das – das ist dir gelungen.« Sie legte den Kopf weit nach hinten und starrte an die üppige, mit Stuck verzierte Decke. In der Sonne leuchteten die vergoldeten Rosetten. »Boris, hast du wirklich jahrelang geschlafen?«
    »Ich war in Moskau und Leningrad.«
    »Vor mir darf das Wort Autorennen nie mehr ausgesprochen werden …« Sie umklammerte die Tischplatte. »Ich weiß, das klingst hysterisch. Aber was bin ich denn? Die Summe meiner Vergangenheit, weiter nichts. Überall, wo ich hinblicke, sind Erinnerungen. Sie erdrücken mich. Begreifst du das? Sie erwürgen mich! Ich will ihnen entfliehen – aber sie holen mich immer wieder ein. Und jetzt sagst du es noch!«
    »Ich – ich habe keine Ahnung …«
    »Die ganze Welt sprach damals darüber! Ein Jahr lang!«
    »Die Welt – eure kapitalistische Welt endet an der russischen Grenze! Der Platz in unseren Zeitungen ist zu wertvoll, um ihn mit eurem Gesellschaftsklatsch zu füllen. Wir haben in Rußland andere Probleme, wichtigere.« Er ging zu einem Stuhl, über dem seine weiße Jacke hing, holte aus der Tasche zwei Eintrittskarten und die Flugtickets und zerriß alle in kleine Schnipsel. »Vorbei!« sagte er. »Auch für mich vorbei! Für immer! Kein Wort mehr darüber.«
    »Aber du weißt nicht, warum …«
    »Ich will es nicht wissen. Es interessiert mich nicht.«
    »Es ist ein Teil meines Lebens, Boris.« Sie hatte sich sichtlich beruhigt. Der erste Schock war überwunden. Sie stand auf, ging mit offenem Morgenmantel unruhig im Zimmer auf und ab und preßte die Hände gegen ihre Brust. »Es war eine große Liebe …«
    »So etwas habe ich geahnt«, sagte Lobow bedrückt.
    »Ich dachte, es sei eine große Liebe gewesen … bis ich dich traf. Nein, das ist nicht bloß dahergesagt. Ich habe oft geglaubt, glücklich zu sein, und war dann für diese Männer doch nur ein goldenes Spielzeug. Bei dir ist alles echt.«
    Boris nickte, wandte sich ab, um ihr nicht in die Augen blicken zu müssen, und zerteilte mit den Schuhspitzen die auf dem Teppich liegenden Papierschnipsel. Das kann ich nicht, Oberst Pujatkin, dachte er bitter. Ihr jetzt in die Augen sehen und fröhlich lächeln. Trotz KGB-Schule … So abgebrüht bin ich noch nicht! Ihr habt meinen Verstand gedrillt, nicht meine Seele.
    »Es war vor sechs Jahren«, sagte sie. »Ich war damals zwanzig. Papa war seit zwei Jahren mit Nany Johnes verheiratet. Ich irrte um die Welt, war mal bei Mama in London oder Paris, mal auf unserer Insel Sapharin, mal in St. Tropez oder Monte Carlo mit Freunden. Ich konnte nicht sein, wo Nany war. Ich konnte nicht die gleiche Luft mit ihr atmen, ich hätte schreien können, immer, ohne Unterbrechung, wenn ich sah, wie Papa den Glücklichen und Stolzen spielte, aber innerlich immer einsamer wurde – wie ich. O Boris, du hast seine Augen nicht gesehen! Diese lebenssprühenden Augen! Sie wurden trüber, immer trüber, blickten nach innen und suchten Halt. Aber niemand konnte ihm helfen. Er warf jeden raus, der mit ihm über seine seelischen Probleme sprechen wollte. Tante Andromeda, Onkel Lakadonis, sogar Perikles, der ihm sonst alles sagen konnte, und auch mich … ›Ich bin der glücklichste Mensch der Welt!‹ brüllte er. ›Was wollt ihr? Ihr macht euch nur in die Hosen, weil ihr an das Erbe denkt!‹ – So gemein konnte Papa reden, wie ein Kistenschlepper aus Piräus!« Sie blieb am Fenster stehen. Im Gegenlicht, durch den dünnen Morgenmantel hindurch, leuchtete ihr nackter Körper in der Sonne. Sie ist doch schön, dachte Lobow und bewunderte sie stumm. Hübsch – das vergeht, das ist Puppenhaftigkeit. Aber eine Frau kann schön sein durch ihre Persönlichkeit, durch ihren Geist, ihren Charme, ihre Herzlichkeit – auch wenn ihr Körper nicht nach den zur Zeit gültigen Idealformen geformt ist. Das ist Schönheit, die überdauern kann. Und Lyda ist schön – man muß nur ein Auge dafür haben.
    »Was blieb mir übrig?« sagte sie leise. »Ich war ständig auf der Flucht

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