Die Erbin
sie, hell und durchdringend: »Verdammt, ich bin alt genug!«
»Zwanzig Jahre!«
»Alt genug, um deine Geliebten zu ertragen! Erst die Palvietti, dann die anderen zwischendurch, dann die neue Frau … Du willst mir Moral predigen? Gerade du?! Ich habe von dir gelernt! Ich bin ein Teil von dir, bin deine Tochter! Wenn du mich verprügeln willst, stell dich erst vor einen Spiegel und ohrfeige dich selbst! Was habe ich denn gesehen von dir? Fotografenglück! Lächeln vor der Kamera! Aber hinter den Türen nur Tränen, Schreien, Mätressen, Intrigen, Lügen, Scheidungen …« Sie richtete sich wieder auf und trat nach den Zeitungen auf dem Teppich. »Jérome verdient im Jahr eine Million Dollar …«
»Ein Taschengeld!« brüllte Stavros.
»Für deine neue Frau – bestimmt! Wo ist sie denn? In New York?! Kauft sie wieder ein? Bei Tiffany? Bei Cartier? Bei Baimain oder Dior? Nur Kleinigkeiten für 150.000 Dollar? Die Dame mit den sechsunddreißig Perücken! Ich will raus hier! Raus! Ich bin zu jung, um schon zu verfaulen! Verstehst du das?«
»Geh auf dein Zimmer! Ich schicke dir einen Arzt.«
»Ich packe meine Koffer und fliege nach Indianapolis.«
»Du verläßt das Haus nicht! Du wirst bewacht! Ich habe angeordnet, daß du ab sofort keinen Schritt mehr allein tust! Ich habe deine Freundin Circe aus Athen kommen lassen. Sie ist unterwegs! Und dann kommst du auf die Jacht.«
»Und wenn ich durch das ganze Mittelmeer schwimmen muß, du hältst mich nicht fest! Du nicht! Ja, das ist deine große Waffe: Enterben! Ja, tue es doch! Gib Perikles alles. Er ist ja sowieso dein Goldjunge! Er kann tun, was er will! Er kann sich Geliebte halten, die seinen Mutterkomplex befriedigen. Er kann das Geld hinauswerfen, der liebe Junge; der Kronprinz darf alles. Er hat ein eigenes Flugzeug, er ist Direktor im Konzern, er wird aufgebaut als der einzige Erbe. Und ich? Mich will man zur Blöden machen, zum hirnlosen Goldpüppchen! Das ist vorbei, Papa! Ich werde dir zeigen, was ich kann!«
»Den Daumen auf eine Stoppuhr drücken!« schrie Stavros außer sich. »Und jetzt raus!« Penopoulos sprang auf. »Mit diesem Rennfahrer rede ich auch noch!«
»Er wird dein Geschrei kaum anhören. Für ihn bist du völlig uninteressant.«
»Das wird sich zeigen. Ich gebe jedem Rennstall fünf Millionen Dollar, wenn er ihn nicht mehr beschäftigt! Dann kann er mit seinem Helm an der Straßenecke stehen und betteln.«
»Das wirst du nicht tun, Papa«, sagte sie ruhig. Und wenn sie ruhig wurde, ganz kalt und ruhig, wie jetzt, dann wurde sie gefährlich wie ein Raubtier. Stavros wußte das – er kannte seine Tochter besser, als sie annahm. »Denn wenn du das tust, stehe ich neben ihm und bettele mit. Und ein Schild hänge ich mir um den Hals: ›Hier steht die Tochter von Stavros Penopoulos und bittet um einen Cent.‹ – Das kannst du niemals ertragen!«
Sie wandte sich ab, drückte die Tür auf, ließ sie gegen die Wand krachen und verließ hoch erhobenen Hauptes die Konzernverwaltung.
In der folgenden Nacht, als Stavros, von einer Ahnung getrieben, bei Lyda im Hotel anrief, meldete sich niemand. Er stürzte sofort zu seinem Rolls und ließ sich zum Hotel fahren.
Lydas Zimmer war abgeschlossen; aber der Direktor selbst öffnete mit seinem Generalschlüssel.
Die Suite war leer. Die offenen Schränke gähnten Stavros an. Alles war ausgeräumt. Keine Koffer mehr, aber auch keine Nachricht. Entsetzt starrten die Hoteldirektoren auf diese Demonstration einer Flucht.
Stavros Penopoulos brüllte wie ein verwundeter Stier, beschuldigte alle, nicht aufgepaßt zu haben, bestand dann darauf, das Zimmer von Jérome Marcel zu betreten. Vor der Tür des Rennfahrers benötigte der Direktor keinen Generalschlüssel. Das Zimmer war nicht abgeschlossen. Und es war leer wie Lydas Suite.
Es gab keine Fragen mehr. Die Situation war klar.
»Eine Million Dollar!« sagte Stavros dumpf. »Eine Million für den, der mir diesen Marcel findet …«
»Das können Sie nicht tun!« Der Vizedirektor der Reederei, den man aus dem Bett alarmiert hatte und der gerade eingetroffen war, rang die Hände. »Sie können doch kein Kopfgeld aussetzen, Sir!«
»Und ob ich kann!« schrie Stavros. »Ich kann sie jagen, bis sie sich die Füße bis zum Hals abgelaufen haben! Warum kann ich das nicht?«
»Es wäre klüger, zu schweigen. Die Öffentlichkeit …«
»Sie kann mich!« Niemand nahm Penopoulos diesen Ausdruck übel. Man kannte seine Ausbrüche. »Ein Rennfahrer und
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