Die Erbin
– Es kann also gar nichts passieren.«
»Nichts? Sie könnten heiraten!« Pujatkin betrachtete die Fotos, mit denen die Liebesstory garniert war. Das nächtliche Kußbild am Strand von Cap Martin regte ihn am meisten auf. »Das wirft uns weit zurück!«
»Okoschkin …«, sagte Masajew milde. Pujatkin schnaufte durch die Nase.
»Ihr verdammter Okoschkin! Er kann auch keine Wunder fabrizieren!«
»Er hat noch nie versagt, Genosse Oberst.« Masajew rieb sich den etwas höckrigen Nasenrücken. Er war ein kleiner, schmächtiger Mann mit eng anliegendem, schwarzem Haar, ein Typ wie Mikojan, und er kam auch aus der gleichen Landschaft, jenem armenischen Winkel der Sowjetunion, von dem man sagt, er bringe Menschen hervor, die schon bei der Geburt die Mutter bestehlen. »Pal Diogenowitsch wird sich sofort um Jérome Marcel kümmern, sowie wir seinen Aufenthaltsort wissen. Ich werde mich erkundigen, wo das nächste Rennen stattfindet.«
Pujatkin war zunächst zufrieden. Er nickte Masajew zu und entließ ihn. Schon fünf Minuten später rief Masajew an. »Wir haben es!« rief er freudig. »Das nächste Formel-I-Rennen findet in Südafrika statt. In Kapstadt, auf einer neuen Rennstrecke. Die Fahrer müssen sie erst noch testen! Da haben wir Marcel lange genug im Visier.«
»Und wann ist das Rennen?«
»In drei Monaten.«
»Zu spät!« schrie Pujatkin. »Masajew, was kann in drei Monaten alles passieren! Sie müssen Lyda früher entdecken, viel früher! Jérome Marcel ist genau der Ehemann, der uns nicht genehm ist! Wenn sie einen aus ihren Kreisen heiratet – gut, das beschleunigt nur den Verfall. Aber dieser Marcel paßt nicht in unsere Pläne. Das wäre ja wie eine Blutwäsche für die Penopoulos' …«
»Wir werden sofort in Monte Carlo die Spur aufnehmen«, versprach Masajew. Er legte auf und fügte hinzu: »Wenn es überhaupt eine Spur gibt …«
Es gab keine Spur. Auch nicht für Stavros Penopoulos.
Der Reeder beauftragte heimlich die besten Detektive mit den Nachforschungen. Auch Perikles, der bevorzugte Bruder, der zu Rennfahrerkreisen beste Beziehungen unterhielt, mußte sich auf Vermutungen beschränken. Niemand aus der feinen Gilde der Formel-I-Fahrer konnte sagen, was sich Jérome Marcel bei dieser Entführung gedacht hatte und wo er mit Lyda versteckt sein könnte.
»Sie kommt schon wieder«, sagte, ohne innere Teilnahme, Nany Penopoulos, verwitwete Nanette Johnes, wenn Stavros auf seiner Jacht wie ein gereizter Tiger hin und her lief und die kräftigsten griechischen Fischerflüche ausstieß. »Hat sie denn genug Geld?«
»Geld!« Stavros warf die Arme hoch. »Ihre Mutter in London hat genug!«
»Dann sollte man mal Genia fragen, ob sie nicht weiß …«
»Nie! Niemals! Und wenn Lyda neben ihr im Bett schlafen sollte – sie würde es mir nie verraten! Da hätte sie doch etwas, womit sie mich treffen kann! Damit kann sie mich weich machen! Das ist Balsam für ihre rachedürstende Seele! Nein, aus London kommt nichts. – Wir können nur warten! Das ist alles. Und das macht mich verrückt!«
In Monte Carlo traf in diesen Tagen Pal Diogenowitsch Okoschkin ein. Ein unscheinbarer Mensch, höflich, etwas schüchtern sogar, linkisch in den Bewegungen, immer lächelnd, wie um Verzeihung bittend, so, als sei er erschrocken, daß er überhaupt lebte. Er nahm ein Zimmerchen in einem Hotel von Monte Carlo, einem schmalen Haus in einer engen Gasse, in der es nach gebratenem Fisch stank – auch das gibt es im Paradies Monaco –, bezahlte die Miete für vierzehn Tage im voraus und trug sich in das Gästebuch als Sylvaner Thorsten ein. Ein Schwede, der gar nicht so schwedisch aussah und deshalb auch Komplexe zu haben schien.
Okoschkin genoß das milde Klima an der Riviera, ging viel spazieren, sonnte sich am Strand des vornehmen Beach-Clubs, für den er eine Eintrittskarte mitgebracht hatte, und sprach hier und da sehr schüchtern und respektvoll mit den Großen und Gernegroßen des Jet-sets. Er erfuhr einiges, aber nichts Entscheidendes über Lyda Penopoulos. Nichts, was nicht er oder Masajew schon wußten.
Alles wartete auf das Wiederauftauchen von Jérome Marcel. Spätestens in Kapstadt zum Rennen.
Vierzehn Tage später flog Okoschkin nach London. Er freundete sich dort mit dem Gärtner von Genia, der Mutter Lydas, an, aber der Gärtner kümmerte sich nur um seinen mustergültigen englischen Rasen und nicht um die Familie. Etwas fündiger wurde Okoschkin, nachdem er das Küchenmädchen nach einem
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