Die Erbin
an Glorias Körper und winkte Luciano zu. Ein Monteur kontrollierte die Gepäcktür. Auch er grüßte und nahm sogar die Mütze vom Kopf.
»Alles klar?« rief Perikles im Vorbeigehen.
»Alles klar, Sir!« Karel Cipek, der eigentlich Okoschkin hieß, tippte an die Stirn. »Wie immer …«
Es war genau 10.23 Uhr, als die Cessna startete. Sie hob elegant, in einer sanften Steigung ab. Der rot-weiß lackierte Rumpf leuchtete in der Sonne, die blanken Fenster reflektierten die Strahlen.
Perikles Penopoulos saß selbst am Steuer und sprach über das Bordmikrofon mit dem Tower des Flugplatzes Hellinikon. In Englisch, der Fliegersprache, gab er durch, daß alles in Ordnung sei. Chefpilot Luciano, jetzt auf dem Ko-Piloten-Sitz, ließ das Fahrwerk einziehen. Die Maschine lag gerade in der Luft, unter einem unendlich blauen, wolkenlosen Himmel. Ungefähr tausend Meter über ihnen stieg eine Verkehrsdüsenmaschine der Sabena steil nach oben, eine breite Rauchfahne hinter sich lassend.
Perikles warf noch einmal einen Blick auf die Instrumente und schaltete den Bordfunk aus.
»Okay, Battista«, sagte er. »Wieder mal zufrieden mir mir?«
»Eigentlich brauchten Sie keinen Piloten.« Luciano schaute nach unten. Sie hatten Piräus hinter sich gelassen und rasten jetzt über das silbern schimmernde Mittelmeer. »Besser als Sie kann kaum einer fliegen.«
»Erzählen Sie das mal meinem Vater!« Perikles lachte jungenhaft. »Er glaubt es nicht, wenn ich es ihm sage. Für ihn ist ein Flugzeug immer ein Mordinstrument; auch in seine eigenen Maschinen setzt er sich nur mit Widerwillen. Du lieber Gott, habe ich einen Kampf mit ihm gehabt …«
Luciano wartete weitere Kommentare ab. Als sie nicht kamen, lehnte er sich in seinem Pilotensessel zurück und blickte Perikles an.
»Eine Auseinandersetzung? Wieder das alte Thema?«
Perikles schüttelte den Kopf. Zu Battista Luciano hatte er ein besonderes Vertrauensverhältnis. Sie waren keine Freunde, nicht, was man so landläufig Freunde nennt, sie waren immer beim Sie geblieben, hatten nie daran gedacht, sich zu duzen – aber dennoch wußte Luciano vom Intimleben seines jungen Chefs mehr als der Vater. Man sprach über viele Dinge von Mann zu Mann; Luciano war als Kamerad eine lebende Klagemauer, ein verschwiegener Beichtvater. Auch die Affäre Gloria war Luciano ebenso bekannt wie der Widerstand des alten Stavros gegen diese Frau, die sieben Jahre älter war als Perikles. Stavros verstand diese Liebschaft nicht. Er hatte sich immer in jüngere Frauen verliebt, nachdem er in New York bei älteren Frauen in die Liebeslehre gegangen war. Aber schon mit zwanzig Jahren verführte er eine Siebzehnjährige, die Geliebte des Dreißigers war kaum zwanzig. Später dann, bei Irena Palvietti und Nany Johnes, hatte ihn die Sensation gereizt, der Triumph des Eroberers: Seht her, es gelingt dem kleinen, dreckigen Griechenjungen aus den Slums von New York, zwei der berühmtesten Frauen zu besitzen! Rümpft nur eure Nasen über den halbgebildeten Penopoulos, den Emporkömmling! Mit meinen Millionen kaufe ich mir alles, auch die teuersten Frauen!
Daß sein geliebter Sohn Perikles nun an Gloria hing und offen sagte, daß er sie heiraten wolle, eine reife, sieben Jahre ältere Frau, das konnte Stavros absolut nicht begreifen. Im Familienkreis äußerte er sogar den schrecklichen Verdacht, Perikles sei pervers. Dann versuchte er es mit Geld, wie immer – aber Gloria wies stolz jede Summe zurück. »Ich liebe ihn, und Perikles liebt mich. Unsere Welt ist vollkommen! Was wollen wir mehr?!« Das waren Worte, die den alten Stavros maßlos verblüfften. Da war jemand, der kein Geld wollte. Nicht einmal einen Blankoscheck! Einen Blankoscheck von Stavros Penopoulos!
Er begriff erst, als Perikles ihm in einer der vielen Aussprachen grob ins Gesicht sagte: »Gloria ist mir Geliebte und Mutter zugleich! Wir haben nie eine Mutter gehabt, damals, als wir sie so nötig hatten. Wir kannten deine Freundinnen, wir mußten mit Irena leben, jetzt mit Nany. Aber unsere Mutter war weit weg, in New York oder London. Vor dir geflüchtet, Vater! Wenn wir sie sahen, weinte sie nur und klagte, sie verging wie Schnee in der Sonne; schließlich heiratete sie Pavlos Heraklion, um dich zu treffen – nicht weil sie ihn liebte. Unsere Mutter – das war eine Tragödie, von dir inszeniert!«
»Bist du fertig?« hatte Stavros gebrüllt.
»Gleich! Danach darfst du wie ein griechischer Fischer toben! Ich werde mich nie von Gloria
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