Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
Vom Netzwerk:
heulte klagend durch die Ritzen. Die Eingangshalle war kalt und zugig, und Philip ließ den Mantel an, während er auf den Fahrstuhl wartete.
    Ein Pfeil leuchtete auf, und die Tür öffnete sich. Philip trat zur Seite, um zwei junge Frauen vorbeizulassen, die sich angeregt miteinander unterhielten. Er stieg ein und drückte auf den Knopf für das vierte Stockwerk. In diesem Moment stürmte ein vierschrötiger rotgesichtiger Mensch in die Halle und auf die sich eben schließenden Lifttüren zu. Die beiden Frauen stoben kreischend auseinander und sahen ihm entgeistert nach.
    Philip suchte vergeblich den Knopf, der die zusammengleitenden Türen zum Halten bringen würde, fand ihn schließlich auch, aber da warf der fette Mann schon seine Schultern zwischen die Türen. Sie stoppten und schoben sich langsam wieder auf.
    »Warum halten Sie die Tür nicht auf, wenn Sie sehen, daß ich rein will?« fuhr er Philip grob auf Afrikaans an.
    Der zog die Brauen zusammen, beherrschte sich aber. »Tut mir leid«, sagte er, und mit dem Finger über den Knöpfen: »Welches Stockwerk?«
    »Fünf.«
    Sie standen schweigend nebeneinander, als die Türen sich schlossen und der Fahrstuhl sich mit einem Ruck in Bewegung setzte.
    »Sind Sie der Fahrstuhlführer?« pöbelte der Dicke ihn an.
    Philip zog langsam die Luft durch die Zähne, hielt sie an und stieß sie mit einem langen Seufzer wieder aus, ohne den andern anzusehen.
    »Nein«, sagte er endlich.
    »Gibt es hier keinen Fahrstuhl für Farbige?« bohrte der Dicke weiter.
    Mußte man sich denn alles gefallen lassen? Philip sah in das gerötete Gesicht mit den kleinen Schweinsäuglein. »Dieses Gebäude gehört nicht zum Krankenhaus, sondern zum Universitätskomplex. Ich bin Universitätsprofessor und arbeite hier.«
    »Ich habe eine Verabredung«, murmelte der Mann. Er war offensichtlich verblüfft und nicht mehr ganz so selbstbewusst.
    Der Fahrstuhl hielt, und Philip stieg aus. Als die Türen sich hinter ihm schlossen, knurrte der Dicke: »Verdammter Hottentotte.«
    Philip drehte sich abrupt um, aber die Türen waren schon zu. Die Treppe war gleich neben dem Fahrstuhl. Philip konnte in Sekunden im fünften Stockwerk sein. Aber wozu? Was wäre damit erreicht? Was konnte es nützen, wenn man ihnen die selbstgefälligen Visagen einschlug? Es blieb einem nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen, den gallig-bitteren Geschmack hinunterzuschlucken und so zu tun, als ob es einem egal wäre.
    Er straffte die Schultern und marschierte steif durch den Korridor, bis er an die Tür kam, auf der ein unauffälliges Schild anzeigte: Genetisches Institut.
    Die Tür führte auf einen engen Flur, an dem links das Hauptlabor und rechts die Büros lagen. Philip trat ins Labor. Zwei Mädchen arbeiteten am großen Versuchstisch in der Mitte des Raumes. Sie sahen von ihren Mikroskopen auf und grüßten lächelnd. Sie waren immer freundlich, und er wußte, daß sie ihn akzeptierten. Mit Williams war das etwas ganz anderes. Im Gegensatz zu den beiden Laborantinnen hatte er Biologie studiert und war, bevor Philip auftauchte, der unumstrittene Alleinherrscher im Labor gewesen. Professor Gleave war zu stark von seiner klinischen Arbeit und seinen Vorlesungen in Anspruch genommen, als daß er sich mehr als flüchtig seinem Labor hätte widmen können. Jetzt aber hatte Philip die Oberaufsicht.
    Williams kam aus der Klimakammer im hinteren Teil des Labors und machte die Tür hinter sich zu. Dann lehnte er sich lässig gegen den Türpfosten.
    »Nicht eine der letzten vier Kulturen hat angeschlagen«, rief er den Mädchen lakonisch bis nachlässig zu. Philip war nicht sicher, ob Williams ihn gesehen hatte. Er trat einen Schritt vor, um sich bemerkbar zu machen.
    »Sind Sie ganz sicher, Mr. Williams?« fragte er.
    Williams trug ständig eine mürrische Miene zur Schau, die sich noch vertiefte, als er Philip unterhalbgeschlossenen Lidern musterte. »Ich bin sicher«, sagte er gedehnt. Erst jetzt nahm er seine Hand vom Türpfosten und richtete sich langsam und widerstrebend auf. »Ganz sicher«, wiederholte er, und nach einer kurzen, trotzigen Pause fügte er hinzu: »Professor.«
    Philip drehte sich unwillig um. Die Mädchen wandten sich mit gespannter Aufmerksamkeit wieder ihren Mikroskopen zu.
    »Wie lange dauert die Inkubation schon? Sechs Tage?«
    Williams nickte steif.
    »Die Kulturen sind doch wohl nicht infiziert?« fragte Philip.
    »Nein, an meiner Methode ist nichts auszusetzen.«
    »Nun gut.

Weitere Kostenlose Bücher