Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
Vom Netzwerk:
Strich, sein Atem ging stoßweise. »Merken Sie sich eins, Johan, ich schicke Ihnen meine Patienten, um Ihre Meinung über deren Herz zu erfahren, wofür Sie zuständig sind, nicht über ihr Gehirn, wovon Sie nichts verstehen.«
    Schoeman war betroffen von der Bösartigkeit dieser Attacke. Er lächelte zaghaft. »Mensch, haben Sie eine Laune. Ich wollte Sie doch nur auf den Arm nehmen.«
    »Ich finde so was eben nicht witzig.«
    »Na gut, dann eben nicht. Übrigens, ich habe Ihnen meinen Befund geschickt. Es ist keine Tetralogie. Es ist eine Trikuspidalatresie. Da kann man sowieso nichts machen.« Im Weitergehen fügte er hinzu, gerade laut genug, daß Deon es noch hören konnte: »Ist auch besser so.«
    Trikuspidalatresie. Das bedeutete, daß Giovanni ohne Öffnung zwischen rechtem Vorhof und rechter Herzkammer zur Welt gekommen war. Das konnte man nicht reparieren.
    Wie sollte er das Trish beibringen?
    Als er in sein Büro kam, fand er Schoemans Befund auf seinem Schreibtisch. Widerstrebend nahm er ihn in die Hand und las ihn im Stehen durch. Dann stützte er sich mit verschränkten Armen auf den Schreibtisch und wiegte sich gedankenverloren vor und zurück.
    Ein Stein war ihm vom Herzen gefallen. Er war noch einmal davongekommen. Die ungeheure Entscheidung war ihm schon vor langer Zeit abgenommen worden.
    Dem kleinen Kerlchen ist nicht zu helfen, sagte er sich in dem Versuch, sein lähmendes Schuldgefühl zu mindern. Niemand auf der ganzen Welt kann ihm helfen. Niemand.
    Trish sah ihn mit ausdruckslosen Augen an. »Deon, du kannst mir nicht helfen. Habe ich recht?«
    »Nein. Nein.« Er versuchte zu lächeln. »Setz dich erst mal, dann erkläre ich dir, was der Befund gezeigt hat.«
    So eine Hiobsbotschaft war immer schwer zu übermitteln, egal, wie sehr man sich auch in Erinnerung rufen mochte, daß der Tod die einzige Gewissheit war.
    »Trish. Es tut mir leid. Die italienischen Ärzte haben sich geirrt. Es ist keine Fallot-Tetralogie, sondern eine Trikuspidalatresie.«
    Sie sah ihn weiter mit diesem ausdruckslosen Blick an. »Was bedeutet das?«
    »Nun, um es kurz zu machen: die Trikuspidalklappe verbindet die beiden rechten Herzkammern. Sie hat sich bei Giovanni nie richtig entwickelt, und daher kann das Blut nicht in die untere Kammer fließen, wodurch diese sich auch nicht entwickeln konnte. Daß Giovanni überhaupt lebt, liegt daran, daß zwischen den beiden Hauptkammern eine Öffnung ist und weil …«
    »Deon, bitte!« rief Trish verzweifelt aus, obwohl ihre Züge unbewegt blieben. Nach einer gespannten Pause sagte sie mit zitternder Stimme: »Entschuldige, aber könntest du es mir nicht ein andermal erklären? Bitte sag mir doch nur, was es bedeutet! Bitte!«
    Er konnte es nicht länger ertragen, sie anzusehen.
    »Es ist sehr ernst«, sagte er schließlich.
    »Und du kannst nicht operieren? Ist es das?«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Trish. Es tut mir wirklich leid. Aber wir können nichts tun.«

Herbst
5
    Es war ein kalter, windiger Morgen. Der breitschultrige Mann, der mit zielstrebigen, weitausschweifenden Schritten vor ihm herging, kam Deon irgendwie bekannt vor. Er trug einen Hut und hatte den Kragen hochgeschlagen, so daß Deon keine Einzelheiten erkennen konnte. Der Mann blieb neben einem cremefarbenen Volkswagen stehen und suchte in der Manteltasche nach seinem Autoschlüssel. Deon holte ihn ein, als er die Tür aufschloss und dabei halb zur Seite blickte. Mit leisem Schrecken erkannte er Philip Davids, und sofort fiel ihm der Telefonanruf ein, den er nie erwidert hatte.
    Die Tage vor der Abreise nach Australien waren voller Hektik gewesen: eine Operation mit Komplikationen, Ärger mit Lisa, die Eröffnung an Trish, daß ihr Kind nicht zu retten sei. Er würde nie vergessen, wie sie ihm unbeweglich gegenübergesessen und mit ihren schlanken Fingern mechanisch das Schloß ihrer eleganten Handtasche auf- und zugeklappt hatte. Trotzdem – er hätte nicht vergessen dürfen, Philip zurückzurufen. Das war eine Unterlassungssünde, die leicht als Kränkung aufgefasst werden konnte.
    Darum setzte er jetzt ein besonders strahlendes Lächeln auf. »Nanu! Guten Tag, Philip! Wie geht es dir denn immer?«
    Auch Philip war leicht erschrocken, als er Deon erkannte, und lächelte ein wenig reserviert. »Tag, Deon. Mir geht es gut. Danke.« Sie schüttelten sich die Hände.
    »Ich habe dich eine Ewigkeit nicht gesehen«, war Deon gezwungen zu sagen.
    »Was treibst du denn in dieser Gegend?« fragte

Weitere Kostenlose Bücher