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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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Dann müssen wir eben neue Proben anfordern. Bitte geben Sie mir die Aktennummern an, damit ich die Patienten heraussuchen kann.«
    Er durchquerte das Labor. Die Mädchen hatten die Köpfe tief über ihre Arbeit gebeugt. Auf welcher Seite standen sie? Hielten sie heimlich zu Williams? Steckten die Weißen alle unter einer Decke – gegen die Farbigen? Hassten sie ihn, wenn er ihnen Anweisungen gab?
    Unsinn. Er rief sich energisch zur Ordnung. Nur keinen Verfolgungswahn entwickeln! Damit gibst du dich schon geschlagen. Den Luxus kannst du dir nicht leisten, in die Rolle des ewig Unterdrückten zu flüchten, den man nicht verantwortlich machen kann, wenn er versagt. Wahrscheinlich machte Williams' aufsässiges Betragen die Mädchen nur verlegen.
    Philip überquerte den Flur. Gleave hatte ihm großzügigerweise sein eigenes Büro mit dem danebenliegenden kleinen Labor überlassen. Philips Proteste hatte er kurzerhand beiseite geschoben.
    »Sie werden sicher auch Ihre eigenen Forschungen treiben wollen«, hatte Gleave gesagt. »Das Labor ist zwar nicht komplett ausgestattet, aber wenn Sie weitere Materialien brauchen, können wir ja mal sehen, was sich machen läßt. Ich habe sowieso nie Zeit, es zu benutzen, bin nur noch ein besserer Bürovorsteher.«
    Das Zimmer war geräumig und ganz mit Teppich ausgelegt, der Schreibtisch mit allen Finessen ausgestattet, und ein eigenes Labor zu haben war für Philip ein besonderer Luxus.
    Aber in seiner misstrauischen Stimmung grübelte er: War er hier nur untergebracht worden, um ihn den Weißen im Hauptlabor fernzuhalten? Unsinn, schalt er sich wieder und verscheuchte die quälenden Zweifel.
    Er machte es sich hinter seinem Schreibtisch bequem und zog den Ablagekasten näher an sich heran.
    Es war ärgerlich, daß die Kulturen nicht angeschlagen hatten. Es mußte doch eine Möglichkeit geben, mit einem größeren Sicherheitsfaktor zu arbeiten! Während er das Problem erwog, fiel ihm die Unterhaltung mit Deon wieder ein.
    Er war überrascht, daß Deon eine so feste Meinung zum Thema Abtreibung hatte. Um ehrlich zu sein, er hatte nicht gedacht, daß Deon sich überhaupt für etwas anderes als für Herzchirurgie engagieren könnte. Ein seltsamer Mensch. Philip fühlte sich nicht recht wohl in seiner Gegenwart. Vielleicht, weil sie in so vielen Dingen gleich reagierten. Kein Wunder. Das war ja nur natürlich. Er verzog spöttisch die Lippen.
    Die raue Schale und die schroffe Art haben wir von unserem Vater geerbt, dachte er. Meinem Vater. Baas Johan. Was hatte ihn dazu gebracht, eine Farbige, und eine Küchenmagd dazu, der Frau vorzuziehen, der er nach den heiligen Gesetzen seiner strengen Religion gelobt hatte, sie zu lieben und zu ehren? Und warum hatte seine Mutter ihm nachgegeben? Warum hatte der alte Van der Riet seinen unehelichen Sohn auf der Farm aufwachsen lassen? Das waren lauter Fragen, auf die es keine Antwort mehr gab. Er hatte genug Arbeit und vertrödelte nur seine Zeit.
    Er nahm die oberste Akte aus dem Ablagekasten und warf einen Blick auf den Namen. Mrs. Edwards. Amniozentese-Bericht. Eine Untersuchung, ob Mrs. Edwards, dreiundvierzig Jahre alt, ein mongoloides Kind bekommen wird. Philip schlug den Aktendeckel auf und las das Formblatt, das in Williams' verschnörkelter, sauberer Handschrift beschrieben war und auf das sich der getippte Bericht gründete.
    Negativ. Gott sei Dank!
    Es war eine traurige Geschichte. Er hatte Mrs. Edwards bei ihrer ersten Konsultation bei Gleave gesehen: Eine blasse, mickrige kleine Frau, mit runder, dünnumrandeter Brille und farblosem Haar, das sie straff nach hinten gekämmt trug. Eine alte Jungfer, dachte man sofort. Lehrerin oder Bibliothekarin. In Wirklichkeit hatte sie fast zwanzig Jahre in einem Zigarettenkiosk am Bahnhof gearbeitet, und dann hatte Mr. Edwards, Witwer und seit drei Jahren ihr regelmäßiger Kunde, ihr einen Heiratsantrag gemacht. Einundvierzig und achtundfünfzig. Noch ein paar warme Tage im Herbst des Lebens. Über dergleichen wurden anzügliche Witze gemacht. Schließlich, mit achtundfünfzig …
    Mr. Edwards hatte alle dahin gehenden Zweifel zerstreut, denn Mrs. Edwards war innerhalb des ersten Ehejahres schwanger, und das Kind war mongoloid. Vor zweieinhalb Monaten nun hatte sie voller Schrecken entdeckt, daß sie ihr zweites Baby erwartete. Sie hatte es ihrem Mann verheimlicht, war aber vernünftig genug gewesen, einen Gynäkologen aufzusuchen, der sie an das Genetische Institut überwiesen hatte.
    Diesmal

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