Die Erbsünde
allem, was du brauchst, dann sehen wir, was es kostet«, sagte er zu Philip. »Ich beschaffe dir das Geld.«
Als er ins Büro kam, rief Robby an. Eins der am Morgen operierten Kinder blutete.
Deon gab Jenny schnell ein paar Anweisungen und raste ins Krankenhaus. Als er ankam, war aber schon wieder alles unter Kontrolle. Robby hatte dem Kind zusätzlich intravenöse Protamine und Kalzium gegeben, und das Bluten hatte aufgehört. Er stand bei der Schwester und erzählte ihr seine Witze, die ihr die Schamröte in die Wangen getrieben hätten, wäre sie nicht längst sowohl gegen Robby wie gegen seine Art von Humor immun gewesen. Deon blieb noch ein paar Minuten, bis er merkte, daß seine Gegenwart überflüssig war; dann ging er hinaus zu seinem Wagen.
Er ließ den Motor an und saß unschlüssig hinter dem Lenkrad. Zum ersten Mal seit langem hatte er nichts zu tun. Jenny kümmerte sich um das Büro. Es gab keine Patienten, die er hätte besuchen müssen. Elizabeth war um diese Zeit nicht zu Hause, und Etienne spielte heute nachmittag in einem Rugbymatch in der Schule.
Kurz überlegte er, ob er seine Mutter besuchen sollte. Aber sein unerwartetes Erscheinen würde sie nur durcheinander bringen, und, offen gesagt, das Altersheim deprimierte ihn.
Also beschloß er, Etienne bei seinem Match zuzusehen. Er hatte sowieso viel zuwenig Zeit für seinen Sohn.
Er fuhr zur Schule, einer eleganten, efeubewachsenen Gruppe von Gebäuden, umgeben von weit läufigen Spielfeldern und Tennisplätzen. Alles zeugte von gediegenem Reichtum.
Er mußte an den mit grobem Kies bedeckten Sportplatz seiner eigenen Schulzeit denken, den man mit blutenden Knien und Ellbogen verließ. Er parkte unter den Eichen und kurbelte die vorderen Scheiben herunter. Durch die offenen Fenster drangen fröhliche Stimmen, der dumpfe Aufprall von Leder gegen Leder, träger Applaus für einen guten Schuß. Die Schulmannschaft war in Grau, die Gäste trugen Dunkelrot. Keuchend und schlammbespritzt rannten die Burschen über den Platz, der vom gestrigen Regen noch aufgeweicht war.
Deon suchte nach dem zerzausten Schopf seines Sohnes. Etienne stand mit den Händen auf die Knie gestützt und folgte dem Ball mit den Augen, der im hohen Bogen durch die Luft flog. Graue und dunkelrote Leiber wirbelten durcheinander. Ein Schuß, und wie eine Kugel sauste der Ball auf Etienne zu. Ein erwartungsvoller Schrei ging durch die Zuschauer – und fiel zu einem enttäuschten Murren ab. Etienne hatte den Schuß vermurkst.
Deon hatte sich gespannt vorgebeugt, jetzt lehnte er sich wieder in die Polster zurück. Müßig sah er zu, wie das Spiel weiterging. Etienne war jetzt fünfzehn. Erschreckend, wie die Zeit rast, dachte Deon. Die Erinnerung stach ihn wie eine spitze Nadel und schuldbewusst dachte er: Wie alt wäre es jetzt, das andere, mein richtiges Kind? Einundzwanzig. Wie hätte es wohl ausgesehen? Groß und blond wie ich oder dunkel und von gesammelter Leidenschaft wie Trish? Konnte da eine Ursache liegen? Eine zu späte Abtreibung mit dem daraus resultierenden Trauma? Konnte das eine komplizierte genetische Mutation in Bewegung gesetzt haben, die in der Geburt eines Mongoloiden endete?
Jetzt langt's! schalt er sich ungehalten. Die Mutter war achtunddreißig bei der Empfängnis, und das Risiko einer genetischen Störung hatte sich mit zunehmendem Alter erhöht. Der italienische Gynäkologe hätte eine Untersuchung der Amnionflüssigkeit anordnen sollen.
Nein, ich habe keine Schuld daran. Und doch …
Ob Trish wohl schon nach Italien zurückgereist war? Es war gut möglich, daß sie ein paar Monate zu Hause bei ihren Eltern verbrachte.
Mit einem Schock und gleichzeitig einer gewissen Erleichterung wurde ihm sein Verlangen nach ihr bewußt. Er wollte sie wieder sehen! dachte er und erinnerte sich an ihren dunkelglühenden Geist, die tierhafte Spannkraft und ihren klaren, nüchternen Verstand. Ich will sie wieder sehen! Aber habe ich den Mut dazu?
Um seine steigende Erregung zu zügeln, redete er sich ein, daß sie sicher längst mit Giovanni nach Italien zurückgekehrt war. Das arme Kerlchen. Es würde sterben, ohne das Leben gekannt zu haben.
Hurrarufe und die Trillerpfeife des Schiedsrichters lenkten Deons Aufmerksamkeit vorübergehend ab. Das graue und dunkelrote Knäuel entwirrte sich. Die Grauen hatten ein Tor geschossen und rannten frohlockend in ihr eigenes Feld zurück. Die Dunkelroten standen wie ein Häufchen Elend um die Torpfosten.
Wie, wenn er die
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