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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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Situation so hinnahm, wie sie war, und sie zum Besten ausnutzte? Er versuchte, sich das Herz in seiner einfachsten anatomischen Form vorzustellen: ein Pumpmuskel mit vier Kammern. Die zwei oberen Kammern nahmen das Blut auf, und die beiden unteren pumpten es. Aber bei Giovanni war die Klappe zwischen den beiden rechten, der empfangenden und der pumpenden Kammer, blockiert. Die Pumpkammer hatte nie funktioniert und sich daher auch nie entwickeln können. Deon lehnte sich kurz zurück, die Augen starr auf das Gewoge der Spieler gerichtet, und ging noch einmal die Fakten durch, um auch nichts auszulassen.
    Durch die beiden Hauptvenen, die obere und die untere Hohlvene, kehrte das venöse Blut in Giovannis rechten Vorhof zurück. So weit, so gut. Aber die verengte Trikuspidalklappe ließ nur ein dünnes Rinnsal in die rechte Herzkammer gelangen. Das meiste Blut floß durch das Loch in der Vorhofwand und umging somit die schadhafte Klappe und die Lunge, wurde also nicht mit Sauerstoff angereichert. Und der geringe Sauerstoffgehalt dieses Blutes, gemischt mit der kleinen Menge Blut, die ordnungsgemäß durch die Lunge geströmt und von der linken Herzkammer wieder in den Körper gepumpt worden war, verursachte die Zyanose und damit Giovannis bläuliche Färbung.
    Jeder wußte, daß dieser Zustand unheilbar war, weil die rechte Kammer nur mangelhaft funktionierte.
    Wie, wenn man durch einen Kurzschluss die defekte Klappe umging, nicht aber die Lunge?
    Je länger Deon darüber nachdachte, um so klarer konnte er sich vorstellen, wie dies zu bewerkstelligen war. Das Blut von der oberen Hohlvene konnte direkt in die rechte Lunge geleitet werden. Man brauchte ja nur die obere Hohlvene vom Herzen abzutrennen und sie direkt an die Arterie anzuschließen, die zur rechten Lunge führte. Damit wurde alles Blut der oberen Körperhälfte durch die Lunge geführt.
    Leider war die untere Hohlvene zu weit von der Arterie entfernt, die zur linken Lunge führte, um eine direkte Gefäßverbindung zu erlauben. Aber er konnte das Problem lösen, indem er das Blut erst einmal ganz normal aus der unteren Körperhälfte in den rechten Vorhof strömen ließ. Jetzt mußte der rechte Vorhof durch ein Transplantat mit der linken Lungenarterie verbunden werden. Er hatte verschiedentlich ein Aorta-Transplantat als Verbindung vom rechten Vorhof zur Lungenarterie benutzt, um eine unterentwickelte Stelle am Austritt der rechten Kammer zu überbrücken. Niemand war je auf die Idee gekommen, dieses Verfahren auf eine Trikuspidalatresie anzuwenden. Aber warum sollte es nicht funktionieren? Das Klappenende der Aorta würde sich dann vom rechten Vorhof öffnen, so daß diese Kammer die Pumparbeit der rechten Hauptkammer übernahm. Jetzt mußte nur noch der Defekt zwischen den beiden Vorhöfen geschlossen werden, und siehe da: Das Herz funktionierte! Zwar nicht normal, aber immerhin.
    Deon hatte absichtlich kühl und beherrscht die Einzelheiten Schritt für Schritt durchdacht, unbeteiligt wie ein Ingenieur, der mit Rechenschieber und Wasserwaage seine Kalkulationen anstellt. Jetzt aber schlug er triumphierend mit den Handflächen aufs Lenkrad. Er hatte die Lösung gefunden!
    Er bezwang seinen Freudenrausch, um noch einmal die geplante Operation von Anfang bis Ende durchzugehen. Es gab eine Menge vorbereitender Arbeit zu tun. Er mußte sich mit Robby zusammensetzen, jede mögliche Komplikation durchdenken und eine Methode ausarbeiten, wie sie zu bewältigen war. Dann mußten sie die Operation im Versuchslabor mit Tieren so lange üben, bis sie ›saß‹. Und das allein war wieder ein Problem für sich.
    Ein langer, schriller Pfiff und erneutes Hurrageschrei verkündeten das Ende des Spiels. Die Gegner schüttelten sich zeremoniell die Hände. Etienne hatte den Jaguar unter den Bäumen erspäht und kam auf ihn zugetrabt. Sein Gesicht war erhitzt, aber er grinste freudestrahlend.
    »Tag, Daddy.«
    »Tag, mein Junge. Wer hat denn gewonnen?«
    »Was? Ach so, wir natürlich. Wir haben's ihnen tüchtig gegeben. Dreiundzwanzig zu acht. Hast du gesehen, wie ich das Tor geschossen habe?«
    Deon, der natürlich nicht hingeschaut hatte, nickte sofort. »Ja. Guter Schuß.«
    »Dem hab' ich vielleicht eins reingewürgt«, prahlte Etienne, und als erinnere er sich plötzlich, daß er kein kleiner Junge mehr war und daher zu einer gewissen Bescheidenheit verpflichtet, fügte er hinzu: »Sie waren uns wirklich nicht gewachsen«, und mit Verachtung: »Die haben sogar gegen

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