Die Erbsünde
Tür sah Deon Philip über ein Mikroskop gebeugt. Als er Deon kommen hörte, sah er auf. Sie schüttelten sich die Hände.
»Nimm ein Momentchen Platz«, bat Philip, »ich bin gleich soweit.«
»Danke.«
Deon setzte sich und sah sich interessiert um. Es war ein Labor wie viele andere, vielleicht etwas ordentlicher. Schon als Kind hatte Philip einen ausgeprägten Ordnungs- und Sauberkeitssinn gehabt. Es roch nach tierischen Ausdünstungen. An der Wand stand eine Reihe nummerierter Käfige. Hinter dem Drahtgeflecht hörte er scharrende, kratzende Geräusche. Mäuse und Kaninchen.
Philip kritzelte etwas auf einen Notizblock und wirbelte auf seinem Drehschemel herum.
»So«, sagte er, »was führt dich zu mir?«
»Ich wollte schon immer zu dir kommen, aber du weißt ja, wie es so geht.«
»Ja, ich weiß.«
»Wie kommst du mit der Arbeit voran? Hast du alles Nötige bekommen?«
»Ja, die Universität hat sich sehr großzügig gezeigt. Es war sehr freundlich von dir, mich mit den richtigen Leuten in Kontakt zu bringen.«
Deon schnitt eine Grimasse. »Wie es im Moment aussieht, kann dir eine Empfehlung von mir eher schaden als nützen. Nein, nein, die sind nicht auf den Kopf gefallen. Die wissen genau, daß sie ihr Ansehen durch deine Arbeit nur erhöhen können. Machst du denn Fortschritte?«
»Ich glaube schon. Nichts Weltbewegendes bis jetzt. Es ist ein Geduldspiel: ein Experiment nach dem anderen, bis man genug Daten zusammengetragen hat. Manche würden sich tödlich dabei langweilen. Mir macht es Spaß.«
Deon lachte. »Für mich wäre das nichts. Bei mir muß es ein bißchen stürmisch zugehen.«
»Zweifellos«, bemerkte Philip trocken.
»Wie zum Beispiel heute Morgen …« Deon beschrieb die Operation, die er soeben beendet hatte. Zu seiner Verwunderung fiel es ihm leicht, zu diesem dunkelhäutigen Mann darüber zu sprechen, der ihm stumm und aufmerksam zuhörte. Erbrauchte die Vorgänge nicht zu dramatisieren. Philip verstand auch so, was sie für ihn bedeutet hatten.
»Ja«, sagte Philip, als Deon schwieg, »das war ja allerhand.« Und der Kommentar, so banal er klingen mochte, genügte Deon. Sie sprachen noch eine Weile friedlich und entspannt miteinander.
»Hast du irgendwelche Missbildungen gefunden?« fragte Deon.
»Es ist noch zu früh, das zu wissen.«
»Werden die Erkenntnisse, die du jetzt gewinnst, und die Methoden, die du entwickelst, eines Tages auf Menschen angewendet?«
Philip lächelte gutmütig. »Wer weiß? Jedenfalls kommen wir der Wahrheit immer ein Stückchen näher. Wissen ist Macht«, sagte er pathetisch mit einem spöttischen Lächeln.
»Das ist ja alles schön und gut, aber was du heute erforschst, gibt vielleicht einem andern das Werkzeug in die Hand, die Entwicklung eines menschlichen Fötus unter künstlichen Bedingungen zu betreiben, wie in der Babyfabrik, die Aldous Huxley uns schon vor langem prophezeit hat.«
Philip runzelte die Stirn. »Mir geht es lediglich darum, zu ermitteln, ob das genetische Material durch Behandlung beschädigt wird und sich somit die Information verändert, die es weitergibt«, sagte er steif. »Das ist alles.«
Deon, noch erregt von der morgendlichen Anspannung, stürzte sich mit Feuereifer in die Diskussion. »Moment mal! So einfach kannst du den Folgen aber nicht ausweichen. Das ist, als wenn ein Physiker das erste Atom spaltet, aber nicht schuld an der Atombombe sein will.«
»Das ist wahr.«
»Auf welcher Seite stehst du denn? Wenn jemand ein Retortenbaby machte, würdest du es als eine große wissenschaftliche Errungenschaft oder eine unmoralische Handlung ansehen?«
»Beides.«
»Darauf will ich nämlich genau hinaus. Selbst du, ein vernünftiger und verantwortungsvoller Mensch …«
»Vielen Dank«, sagte Philip mit einer ironischen Verbeugung.
»Nein, lass mich ausreden. Selbst jemand wie du hat keine eindeutige Haltung dazu, und der nächster Schritt wird vermutlich sein, herauszufinden, ob deine Feststellungen auch auf das befruchtete menschliche Ovum zutreffen.«
Philip drehte sich auf seinem hochlehnigen Hocker hin und her und betrachtete Deon gelassen. »Ja«, sagte er einfach.
»Und wirst du bei dem menschlichen Wesen, das du künstlich erschaffst, die gleichen Wertmaßstäbe anwenden? Spülst du auch den menschlichen Embryo den Ausguss hinunter, wenn dein Experiment beendet ist?«
Philip fuhr fort, auf seinem Hocker hin und her zu schwenken. »Erst einmal mußt du mir sagen, wann deiner Definition nach
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