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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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Einschnitt in die Wand des rechten Vorhofs zu führen, und dann schnitt er mit einer Schere horizontal weiter. Er schob zwei Haken unter den linken Rand der Öffnung und gab sie Guido Perino zum Halten, der als zweiter Assistent fungierte. Robby saugte die Höhlen ab, und Deon tat einen Blick in Kathleens Herz.
    Er war wie hypnotisiert. Er konnte weit in die Kammernhöhle sehen, die Klappen hingen wie lose Hautfetzen herunter. Er hatte noch nie so etwas gesehen.
    Deon bat um Pinzetten, und mit einer in jeder Hand zog er die Lappen beiseite, aber das Innere von Kathleens Herz wollte sein Geheimnis nicht preisgeben. Er sah auf. Robby konnte von seinem Platz aus das Herzinnere nicht deutlich sehen und fuhr in aller Gemütsruhe fort, Deon zu assistieren.
    »Zum Teufel, Robby. Ich habe keine Ahnung, was hier drin vorgeht.«
    Die Scheißkardiologen.
    Deon beugte sich wieder über die offene Brusthöhle und zog die Klappenfetzen erneut auseinander. So ein Defekt war ihm noch nie unter die Augen gekommen. Es konnte nicht sein.
    Er trat zurück, um seine Gedanken zu sammeln. Es war unmöglich. Er wußte nicht, wie er anfangen sollte, das wieder in Ordnung zu bringen.
    Robby hatte seine Bestürzung bemerkt und spähte hinüber, um zu sehen, was es gab. Deon rückte zur Seite.
    »Guck dir das doch mal an«, schrie er gellend. Guido, der noch immer die Haken hielt, sah verschreckt hoch.
    Deon räusperte sich. »Das ist eine ausgemachte Schweinerei.« Er ruderte verzweifelt mit den Armen in der Luft herum. »Da sind ja überhaupt keine Scheidewände drin! Die Mitral- und Trikuspidalklappensegel hängen lose in der Gegend herum. Das hier ist ein einkammriges Herz!«
    Er mußte irgend jemand oder irgend etwas anklagen. Das Kind konnte nichts dafür, daß es so geboren war. Schüttelte man also die Faust gegen den, der sie gemacht hatte? Gegen einen gleichgültigen Gott, der den Klagen irdischer Wesen unzugänglich war? Oder zuckte man die Achseln und nahm es als das finstere Walten eines blinden Schicksals hin?
    »Wo sind sie jetzt, die vermaledeiten Kardiologen?« zeterte er. »Warum kommen sie jetzt nicht und sagen uns, wie man so was repariert? Wie konnte ihnen die Diagnose so danebengehen?«
    Durch seinen Ausbruch hatte die Spannung sich größtenteils entladen. Er wandte sich wieder der Untersuchung des Herzens zu.
    Auf einer Reise nach Europa hatte er einmal Freundschaft mit einem Bildhauer geschlossen. Er hieß Arkhiv. Deon und Elizabeth hatten ihn in seinem Atelier besucht. Vom Fenster hatte Deon in dem staubigen Hinterhof ein halbes Dutzend riesiger Marmorblöcke liegen sehen.
    »Warum machst du nichts aus diesen schönen Steinen?« hatte Deon ihn gefragt. Arkhiv war neben ihn ans Fenster getreten. Eine schwarze Katze schritt hochmütig über den gepflasterten Hof auf eine Reihe Mülltonnen zu. Die Luft war staubig und angefüllt mit weichgefiltertem Sonnenlicht. Arkhiv hatte nachdenklich auf die achtlos umherliegenden Blöcke gesehen. Lächelnd hatte er dann zu Deon gesagt: »Weil, mein lieber Professor, ich noch nicht sehen kann, was drin steckt.«
    Das hatte unverständlich und sogar ein wenig prätentiös geklungen, aber jetzt verstand Deon genau, was der Bildhauer gemeint hatte. Er sah ein Herz und wußte nicht, was drin war.
    Das vernünftigste wäre, zuzumachen und alles so zu lassen, wie es war. Wenigstens konnte er so nichts verderben. Versuchte er erst, an dem Herz herumzuflicken, konnte das verheerende Folgen haben. Es war unmöglich, zu wissen, wo die Nervenknoten lagen. Mit Herzblock hatte er mindestens zu rechnen.
    Aber er rebellierte innerlich dagegen, sich so leicht geschlagen zu geben. Es mußte gehen, wenn er nur wüsste, wie!
    »Guido!«
    Der Italiener, sonst so forsch, war von der lähmenden Unsicherheit angesteckt worden. Er sah kläglich auf.
    »Gehen Sie raus und rufen Sie Peter an«, befahl Deon. »Sagen Sie ihm, die Heinis von Kardiologen haben einen Fehler gemacht. Sagen Sie ihm, die Hauptkammern haben auch keine Scheidewand. Ich wüsste nicht, was man da tun kann. Ich mache einfach wieder zu. Fragen Sie ihn, ob er damit einverstanden ist.«
    Guido nickte und entfernte sich vom Operationstisch. Eine Schwester half ihm aus dem Kittel. Die pneumatische Tür schloß sich mit einem schmatzenden Geräusch hinter ihm, das in dem totenstillen Operationssaal erschreckend laut klang.
    »Niemand könnte damit etwas anfangen«, sagte Deon zornig zu Robby, als müsse er sich gegen eine unausgesprochene

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