Die Erbsünde
Anklage verteidigen. Dabei hatte Robby ihn nicht einmal angesehen. »Es ist ganz unmöglich. Wenn ich gewußt hätte, daß die Hauptkammern auch keine Scheidewand haben, hätte ich gar nicht an eine Operation gedacht.«
Robby nickte zustimmend, aber das trug nichts dazu bei, die grauenvolle Niederlage abzuschwächen. Deon wußte, daß er sich weder vor Robby rechtfertigen mußte noch vor sonst jemand in der Welt.
Nur vor sich selbst.
Sie standen schweigend und untätig um den Tisch.
Unfähig, die Verzweiflung auch nur einen Moment länger zu ertragen, begann Deon, die losen Klappensegel hin und her zu zerren. Er betrachtete die Herzspitze. Er konnte die Öffnungen der Lungen- und Aortenklappe sehen. Jede müßte normalerweise aus einer Kammer für sich abgehen. Aber wie? Wo sollte er anfangen?
Die Tür ging wieder auf, Guido, bleich unter seiner Olivenhaut und schweißbedeckt, erschien.
»Peter sagt …«, er schluckte und begann von neuem, »er sagt, Sie sollen tun, was Sie für das beste halten.«
Deon lachte freudlos in sich hinein. Was hattest du denn erwartet? Trost? Oder eine Entscheidung? Du weißt doch längst, daß die Entscheidung ganz allein bei dir liegt.
Also gut – dann triff sie!
Und in dem Moment, als er Colleen um den Faden bitten wollte, geschah es. Die Nebelschwaden, in denen er sich bis jetzt bewegt hatte, teilten sich, und er konnte sehen, was er zu tun hatte. Wie Arkhivs Marmorblöcke hatte Kathleens Herz vor seinem inneren Auge Gestalt angenommen.
»Guido, waschen Sie sich wieder«, sagte er. »O. K. Robby, versuchen wir's!«
Robbys Augen weiteten sich leicht, dann nickte er mit scheinbarer Gleichgültigkeit.
Ihre erste Aufgabe war, eine Kammernscheidewand einzusetzen. Aber durch den Vorhof ließ sich das nicht machen. Deon legte einen querlaufenden Einschnitt durch die vordere Wand der rechten Herzkammer, etwas unter der Lungenvenenklappe. Er umging einen Ast der rechten Kranzarterie. Kathleen würde einen guten Schutzengel brauchen, um diesen Eingriff zu überstehen.
Robby und Guido hielten die Wunde mit Haken auf. Das Herz schlug weiter. Jetzt sah die Sache schon vertrauter aus, denn dies war der Zugang, den er sonst bei Scheidewanddefekten benutzte. Die Mitral- und Aortenklappe gehörten nach links, die Trikuspidal- und Lungenvenenklappe nach rechts. Er mußte eine unterbrochene Nahtlinie legen, um die Grenzen zu kennzeichnen. Wie Zaunpfähle, und er mußte flüchtig an seinen Vater und Wamagerskraal denken.
»Faden Vier o.«
Die Schwester reichte ihm einen Nadelhalter. Er schob die Lappen zur Seite und fing an, die Stiche zu setzen, aber er konnte nicht sehen, was er tat. Er hatte gehofft, das Herz während der Arbeit weiterschlagen lassen zu können. Sollte er dann einen lebenswichtigen Nerv treffen, würde das EKG dies sofort anzeigen. Aber es war offensichtlich nicht möglich. Er brauchte ein Herz, das entspannt und reglos war.
Der Techniker der Herz-Lungen-Maschine saß wachsam vor seiner Apparatur.
»Kühlen«, sagte Deon.
Der Techniker knipste einen Schalter an. »Kühlung läuft«, meldete er prompt. »Wie wollen Sie's haben, Professor?«
»Bis das Herz fibrilliert.«
Deon hob das Herz an, um einen Schlauch in das, was später die linke Herzkammer werden sollte, einzuführen. Schon konnte er fühlen, wie der Muskel abkühlte. Der Schlag verlangsamte sich. Er befestigte den dünnen Plastikschlauch mit einem Stich und senkte das Herz behutsam zurück in den Herzbeutel. In diesem Moment hörte die koordinierte Muskelkontraktion auf, und jede Faser fiel in ihren eigenen hüpfenden Rhythmus.
»Herz fibrilliert«, sagte Morton-Brown.
»O. K. Kühlung einstellen. Aortenklammer, Schwester.«
Nun, da sie alle wußten, was er vorhatte, war die wohltuende Routine wieder hergestellt. Mit fast maschineller Präzision wurden Nähte gelegt und abgeklemmt. Wieder einmal arbeiteten seine, Robbys, Guidos und Colleens Hände in völliger Harmonie miteinander, als seien sie austauschbare Teile derselben einwandfrei funktionierenden Maschinerie. Was sie taten, war neu und riskant. Sie waren Akrobaten auf einem Trapez, die ein Kunststück ausprobierten, das noch nie jemand gewagt hatte, und das ohne Netz. Aber die Technik war ihnen vertraut, und das half ihnen, die Nerven zu behalten.
Als die Stiche gelegt waren, schnitt Deon ein Stück Plastikfilz in Form eines U. Er führte die Stiche an der unteren Rundung hindurch und dann entlang der beiden Stäbe des U. Robby senkte den
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