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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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war fast sicher. Wie es ihr wohl ging? Er hatte sie nur einmal kurz gesehen, seit sie aus dem Krankenhaus zurück war. Das Gewissen plagte ihn deswegen ein bißchen. Aber was konnte er machen? Er hatte siebzehn Stunden täglich gearbeitet, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Sie war übrigens selbst sehr beschäftigt, denn auch ihre Abschlussprüfung stand bevor. Einmal hatte er sie angerufen, um eine Verabredung zu treffen, aber sie hatte behauptet, eine eilige Arbeit fertigmachen zu müssen, und war auch sonst recht kühl gewesen, und so hatte er sich nicht wieder gemeldet. Er hatte einfach keine Zeit.
    Würde er sie jetzt anrufen, wo er Zeit hatte? Wahrscheinlich nicht.
    Höflicher Applaus unterbrach seine Gedanken, und er richtete sich unwillkürlich auf. Der Redner vorne am Pult lächelte dankend und strebte zu seinem Platz zurück. Ein Rascheln ging durch die Reihen, Programmseiten wurden gewendet: Der wichtigste Teil der Zeremonie begann. Endlich die Verteilung der Urkunden!
    Die Pausen zwischen den Namen wurden jetzt immer kürzer. Abrahams, Donald Robert. Adams, Peter McArthur. Bartlett, Monica Mona. Der Dekan hielt inne und sah hinunter auf seine Liste. Seine sonst gleich bleibende Stimme stockte ein wenig, als er feierlich verkündete: »Mit Auszeichnung in allen Examina und dem Prädikat magna cum laude …« Wieder die fast unmerkliche Pause, dann fügte er schlicht hinzu: »Davids, Philip.«
    Philip erhob sich rasch und ging behende nach vorn. Donnernder Beifall begleitete ihn. Deon sah flüchtig um sich, dabei bemerkte er etwas Seltsames: Sein Vater klatschte auch! Inmitten all dieser Engländer saß Johan Van der Riet mit harten, unbewegten Zügen, aber er klatschte wie all die anderen, klatschte Beifall für Philip Davids, einen Farbigen von Wamagerskraal!

5
    Es war dasselbe graue Gebäude, und doch kam es ihm ganz anders vor. Er blieb auf der mit Sträuchern bewachsenen Verkehrsinsel vor dem Eingang des Krankenhauses stehen und blickte an der nüchternen Fassade mit den unzähligen Fenstern hoch.
    Hier habe ich fünf Jahre lang studiert und gearbeitet, dachte Deon. Hier kenne ich jeden Winkel; jeder Quadratmeter ist mir vertraut. In diesem Gebäude habe ich Tag und Nacht gelebt und beobachtet. Ich habe die Kranken gekannt; manche sind gesund geworden, andere gestorben. Bis heute war ich, wenn auch nicht unbeteiligt, so doch nicht verantwortlich für ihre Genesung oder ihren Tod. Jetzt muß ich lernen, die Last der Verantwortung zu tragen. Damit fängt meine Arbeit als Arzt an.
    Er konnte ein Hochgefühl nicht ganz unterdrücken, als er am Pförtner vorbei in die Halle trat. Er wirkte leicht befangen in seinem frisch gestärkten weißen Kittel mit dem braunen Namensschild, das seinen neuen Status anzeigte.
    Gestern abend hatte er auf seinem Bett ein Rundschreiben vorgefunden, das eine Versammlung aller Assistenzärzte für den nächsten Morgen ankündigte, begleitet von zwei Handbüchern, die er Wort für Wort durchgelesen hatte, in der Hoffnung, darin den Schlüssel zum großen Geheimnis zu finden. Nach der Lektüre hatte er sich enttäuscht und betrogen gefühlt; das eine Buch enthielt eine Beschreibung des Krankenhausbetriebs, das andere gab nüchtern Auskunft über die Handhabung der zu untersuchenden Blut-, Urin- und Stuhlproben. Von der Versammlung war sicher auch nicht viel mehr zu erwarten. Wahrscheinlich würde man sie mit ein paar ermunternden Worten abspeisen. Aber irgend jemand mußte doch den Schlüssel haben.
    Zehn vor acht. Er ging zögernd zur Treppe. Von den anderen war noch niemand da. Die hatten sicher alle einen Kater von der gestrigen Silvesterfeier. Mit scheinbarer Entschlossenheit drehte er sich um und ging die Treppe hinauf. Im Hörsaal angekommen, sah er sich von all den vertrauten Gesichtern umgeben. Robby war auch dabei, und neben ihm saß Philip Davids, wie immer reserviert und in sich zurückgezogen.
    »Mich laust der Affe«, sagte Deon und ging auf Philip zu. »Was machst du denn hier?«
    »Dasselbe wie du, würde ich sagen.«
    »Wieso, ich dachte, du wolltest nach Transvaal?« erwiderte Deon.
    »Ich habe mich zuerst hier beworben.« Philip sah ihn eindringlich an. »Aber ich habe nicht damit gerechnet, daß man mich nehmen würde.«
    »Dich nehmen? Aber doch sicher mit Kusshand!«
    »Ja, nur daß ich keine Weißen behandeln darf und für drei Viertel des Gehalts arbeite.« Er wechselte abrupt das Thema. »Du siehst gut aus. Warst du auf der Farm?«
    »Nur ein

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