Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
Vom Netzwerk:
Die Schwester brachte ihr eine Brechschale, und die Frau würgte ein paar Mal und erbrach sich. Plötzlich wurde ihr Körper von heftigen Krämpfen geschüttelt, und ein hellroter Blutstrahl schoß ihr in nichtendenwollendem Strom aus dem Mund. Zwei Minuten später kam der Arzt – zu spät. Sie war tot. Sie hieß West, Maria Johanna West, ein Name, den er nicht so bald vergaß.
    Es sollten noch andere Namen dazukommen. Da war zum Beispiel Peter Tait, elf Jahre alt, einfacher Bruch des linken Schienbeins. Er war ein lustiges Kerlchen mit seiner Stupsnase, den Sommersprossen und einem spitzbübischen Lächeln. Er war von einem Baum gefallen. Zwei Krankenschwestern hatten sich schon auf seinem Gipsverband verewigt, als er die Poliklinik verließ. Die Röntgenaufnahmen zeigten, daß der Knochen richtig lag. Alles war in Ordnung, aber bei einer Routineuntersuchung fiel Deon auf, daß sein Trommelfell stark gerötet war. Das Kind hatte auch ein wenig Temperatur, also bat Deon die Schwester, ihm eine Million Einheiten Penicillin zu spritzen. Er war stolz, diese Kleinigkeit entdeckt zu haben, während die anderen sich von dem Bruch haben ablenken lassen.
    Peter Tait wurde entlassen. Auf der Heimfahrt mit seinen Eltern klagte er über Schwindelgefühl. Dann bekam er Atemnot, bis er kaum noch Luft schöpfen konnte. Sein Vater kehrte sofort um und fuhr, so schnell das in der Hauptverkehrszeit ging, zurück ins Krankenhaus. Zehn Minuten bevor sie es erreichten starb Peter Tait im Auto: anaphylaktischer Schock durch Überempfindlichkeit gegen Penicillin. Wer konnte wissen, daß lebenserhaltende Mittel auch töten konnten? Nun, hier war der Beweis.
    Also, auch Peter Tait aufs Verlustkonto.
    Und William Ruiters, sechseinhalb Jahre alt.
    Und Noni M'vubanjani, achtzehn Jahre alt, Hausangestellte.
    Und Robert Ronald Morton, zweiundfünfzig Jahre alt, Firmenchef.
    Das waren die Namen, die ihn des Nachts heimsuchten. Aber es gab auch welche auf der Gewinnseite des Kontos, und diese Namen mußte er sich ebenfalls hin und wieder in Erinnerung rufen, um sein seelisches Gleichgewicht zu behalten.
    Eines Abends – er legte gerade eine Infusion neu an – rief ihn die geisterhafte Stimme aus dem Lautsprecher.
    Verflixt! Es war noch früh, kaum zehn Uhr, und bis jetzt war alles still gewesen, so daß er heimlich gehofft hatte, ein paar Stunden schlafen zu können. Heute war er besonders erschöpft, denn sein Team hatte gestern Unfalldienst gehabt und sich ganz schön schinden müssen. Zudem war die Nachtschwester ein bißchen durchgedreht gewesen.
    Deon befestigte die Nadel am Handgelenk des Patienten, nickte der Hilfsschwester zu und ging rasch zwischen den beiden Bettreihen hindurch. Der Junge im letzten Bett war noch wach, er hatte ein Buch gegen die angezogenen Knie gelehnt und las beim Schein der Bettlampe. Deon lächelte ihm im Vorbeigehen zu, aber der Junge folgte ihm nur stumm mit den Augen. Dann sah er wieder in sein Buch.
    Das ist ein Fall für die Neurochirurgen, dachte Deon. Ein Glück, daß ich damit nichts zu tun habe. Gehirntumor. So ein gescheiter Junge. Deon hatte bei der Visite den Titel des Buches gelesen. »Also sprach Zarathustra.« Nietzsche. Sie hatten eine Gewebeuntersuchung gemacht, und jetzt bekam er Bestrahlungen. Es war ein ziemlich hoffnungsloser Fall. Sie gaben ihm höchstens noch ein Jahr zu leben. Und der Junge wußte das. Nietzsche. O ja, der wußte, was los war.
    Das Telefon war im Büro der Stationsschwester. Er mußte warten, bis die Vermittlung durchkam. Er schwang sich auf den Schreibtisch und ließ die Beine herunterbaumeln. Eine der Krankenschwestern kam herein, so eine kleine schnippische. Die anderen nannten sie Rhoda. Sie trug ein Tablett mit zwei leeren Tassen und ein paar übrig gebliebenen Keksen. Er winkte sie mit dem Finger heran und stibitzte einen davon. Sie tat empört. Er grinste sie kauend an.
    »Vermittlung«, meldete sich eine monotone Stimme.
    »Van der Riet.«
    »Sie werden von der Unfallstation verlangt, Doktor. Einen Moment, bitte.«
    »Ich warte.«
    Endlich meldete sich die knappe Stimme des Unfallarztes. »Deon?«
    »Ja, John! 'n Abend!«
    Der Unfallarzt hielt sich nie mit Höflichkeitsfloskeln auf. »Ich schicke Ihnen einen Burschen mit Bauchschuss. Er hat eine Drei-null-drei benutzt.«
    »Um Gottes willen!«
    »Ja. Er blutet irgendwo, also werden Sie ihn so bald wie möglich in den Operationssaal bringen müssen.«
    »Wird gemacht, John. Danke.«
    Also, das mit dem Schlafen

Weitere Kostenlose Bücher