Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
Vom Netzwerk:
völlig verstört zu mir und erklärte: »Mensch, Cosby, ich hab* sie auch gesehen. Die Funken fliegen wie Johanniskäfer. Komm dir das ansehen!« Ich sah durch den Sehschlitz, konnte aber nichts anderes als die unbeweglichen Funken der Sterne feststellen. McKinley wurde böse: »Zum Teufel, ich bin doch kein Narr, schau doch dorthin zum Dreierschiff, jetzt schwärmen sie über dem Heck und sinken langsam abwärts . . .« Es entstand eine kleine Palastrevolution. Die einen behaupteten, daß es sich um Halluzinationen handelte, die andern glaubten an eine unbekannte kosmische Erscheinung, die dritte Gruppe wußte nicht, was sie von alldem halten sollte. Die Realität dieser Erscheinung hielt ich für ausgeschlossen, nachdem ich festgestellt hatte, daß niemals zwei gleichzeitig die Erscheinung gesehen hatten. Das schloß aber auch eine Massensuggestion aus.Bald danach sah auch der Kapitän Norton die »Johanniskäfer«. Sie begannen, auch innerhalb des Schiffes zu fliegen. Am häufigsten in den dunklen Kabinen. Ich war völlig ratlos und dachte über die Ursache der Erscheinung nach, bis mir der Schädel brummte. Und plötzlisch sah auch ich sie! Die Johanniskäfer erschienen in einem dunklen Winkel meiner Ordination. Ich war erledigt und nahm ein Beruhigungsmittel. Sollte die Expedition einem Massenwahn verfallen? Am nächsten Tag konzentrierte ich mich methodisch auf die Erforschung des Johanniskäfer-Geheimnisses. In der Überzeugung, daß ich es unbedingt in der Realität suchen mußte, sah ich die Teste durch. Da fiel mir plötzlich wie eine Erleuchtung ein gewisser Zusammenhang ein; vor sechs Tagen hatte ich als langsame Vorbereitung auf die Marsverhältnisse begonnen, die Kompensationsrationen für den schwerelosen Zustand zu verringern. Die verminderte Konzentration der Kompensationsstoffe im Blut konnte bestimmte optische Illusionen hervorrufen.
    Nach wenigen Tagen bestätigte sich die Richtigkeit meiner Theorie. Das Geheimnis der Johanniskäferchen war enthüllt. McKinley erklärte dann überall, daß man von einem Doktor nichts anderes erwarten könne, als daß er Pillen abzähle, weil so ein Froschsezierer natürlich keinen Sinn für Poesie habe.
    Immer wieder werde ich in der Erkenntnis bestärkt, daß auch die sorgfältigste und wissenschaftlich am vollkommensten vorbereitete Ausbildung die Kosmonauten für den interplanetarischen Flug nicht so vorbereiten kann, daß später, unter dem Druck der Wirklichkeit, nicht neue, unbekannte Faktoren auftauchen können. Um so sorgfältiger sammeln Kollege Watts und ich Testmaterial, das nach unserer Überzeugung für die Zukunft von großem Wert sein wird. Mir persönlich hilft diese Überzeugung sehr, die eigene seelische Krise während der schwärzesten Tage unseres Flugs zu überwinden.
    Allmählich gelingt es mir, ein ähnliches Gleichgewicht zu gewinnen, wie es Wellgarth die ganze Zeit hindurch bewahrt hat. Allerdings besteht da ein wesentlicher Unterschied; ich muß mich, zum Unterschied von Wellgarth, anstatt mit Spektralanalysen mit der Analyse dessen befassen, was mich selbst bedrückt. Ich kann in keine andere Welt entfliehen. Eine gewisse Auffrischung des stickigen Milieus im Zusammenleben der Expedition ist für mich der Fall Gray und Briggs. Seit der Krise, die ich damals verhältnismäßig leicht beseitigen konnte, sind keine weiteren Schwierigkeiten entstanden. Als ich einmal Briggs frage, wie das zwischen ihm und Gray klappt, antwortet er, daß sie sich eine besondere An ausgedacht haben, wie sie sich die Dienstzeit bei den Kontrollgeräten an Bord des Lastschiffes vertreiben, die unter normalen Umständen keinerlei sonderliche Aufmerksamkeit erfordert. Sie wetteifern in der Erfindung von Begebenheiten über die verschiedensten Themen. Briggs gesteht mir, daß er im Wettbewerb um die blödsinnigste Begebenheit unter der Sonne gesiegt hat. Er sagt halb ernst: »Sie würden nicht glauben, welche Mühe es kostet, sich eine ungeheure Blödheit auszudenken. Sie zu machen, ist viel einfacher. Für so etwas braucht man seinen ganzen Grips. Ich habe jetzt einen Riesenrespekt vor Schriftstellern, die schwarzen Humor machen. Ich glaube, daß ich nach unserer Rückkehr zu schreiben beginne.«
    Wie man sieht, hat die kosmische Medizin ungeahnte Möglichkeiten.Auch der Haupttechniker scheint wieder so halbwegs in Ordnung zu sein. Er ist zwar viel verschlossener als früher, doch sehe ich darin eine Reaktion auf den Unfall, der damals als Katastrophe hätte

Weitere Kostenlose Bücher