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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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Gegenbewegung eine Explosion hervor, die genügte, um den Mantel des Raumschiffes zu durchbohren. Die Vorstellung, daß wir uns in einem Gürtel bewegten, wo mehrere solch schrecklicher Geschosse herumirren könnten, beunruhigte uns alle. Daß also das Zusammentreffen zweier Körper in diesem so unendlichen Raum kein phantastischer Zufall ist, davon waren wir eben überzeugt worden. Dazu lieferten die Aufzeichnungen des Meteoritenzählers und die Schrammen am Schiffsrumpf einen realen Beweis. Wir kamen uns vor wie Seeleute, die durch eine verminte Wasserstraße fahren.
    Wenn ich es richtig überlege, was wir bisher schon durchgemacht haben, kommt mir der Gedanke, daß all diese Schwierigkeiten vielleicht eine unschätzbare Vorbereitung für den langfristigen Aufenthalt auf dem Mars sind. So wie zu Beginn unserer Fahrt der Planet Erde allmählich aus dem Gesichtsfeld verschwand, taucht jetzt im gleichen Maße vor uns der Planet Mars auf. Sein Anblick ist faszinierend. Ein rot flammendes Licht in den toten Oden des interplanetarischen Raums. Wir sehnen schon den Augenblick herbei, in dem wir auf der Oberfläche stehen werden. Noch fünfundzwanzig Tage! Die Ungeduld und der Drang nach Betätigung verscheuchen jetzt alle Psychosen. Die phantastische Einmaligkeit des unaufhaltsam sich nähernden Augenblicks erweckt pathetische Gefühle in uns. Ich beobachte, daß auch in den Redewendungen ein gewisses Zeremoniell erscheint. Oft denke ich jetzt darüber nach, ob die Komplikationen der letzten Tage wirklich real wareh, oder ob es nur übertriebene Kleinigkeiten, ins Ungeheuerliche aufgebauschte Phantasmagorien, verwilderte und verzerrte Gefühle infolge eines unbekannten kosmischen Fiebers waren.
    Noch zwanzig Tage. Geringe Korrekturen der Flugbahn beunruhigen niemanden mehr. Der Mars strahlt wie ein unbewegliches, leuchtendes Signal. Die Tätigkeit der gesamten Besatzung besteht in den Vorbereitungen zur schwierigsten Phase des Fluges. Das Vertrauen wirkt Wunder. Der sieche Körper unserer Gemeinschaft verwandelt sich in einen gut arbeitenden Organismus. Aber zur vollkommenen physischen Gesundheit fehlt natürlich noch sehr viel. Ja, wir sind heruntergekommen und gealtert. Verdauungsstörungen treten ein, Kopfschmerzen, plötzliche Schwächeanfälle verbunden mit ungewöhnlich starkem Schweiß. Unangenehme Hautausschläge. Aufrichtig gesagt, wie Filmhelden, die den Kosmos erobern, sehen wir nicht aus.
    Die rasende Geschwindigkeit des Raumschiffes erkennen wir an dem plötzlichen Sinken der Zahlen, die die Entfernung zum Mars ausdrücken. Millionen Kilometer werden schon durch eine einstellige Zahl ausgedrückt. Der leuchtende Punkt nimmt die Gestalt einer runden, rötlichen Perle an, deren Größe von Stunde zu Stunde wächst. Nach den endlosen
    Stunden, in denen sich im Raum um uns nichts abgespielt hat, erregt uns nun dieses Schauspiel ungemein. Wir sind jetzt ununterbrochen mit der Erdzentrale verbunden. Die Entfernung des Planeten Mars sinkt unter eine Million Kilometer. Der Mars beginnt langsam die Größe des Mondes anzunehmen, so wie wir ihn von der Erde aus sehen. Er leuchtet auf dem dunklen Firmament wie eine ausglühende Eisenkugel. Wenn wir in direkter Richtung weiterfliegen würden, könnten wir in nur vierundzwanzig Stunden auf seiner Oberfläche landen. Die gerade Flugbahn muß allerdings in eine kreisförmige geändert werden. Jetzt bleibt uns wirklich nichts anderes mehr übrig, als unerschütterlich auf die Technik zu vertrauen. Die Stunden verfliegen wie im Sturm. Der Augenblick des ersten Abbremsens des Fluges nähert sich.
    In der Entfernung von zweihunderttausend Kilometern spüren wir, festgeschnallt in den Antigravitationsstühlen, das erdrückende Einsetzen der Bremsmotoren. Das ganze komplizierte Manöver wird dem Stahlhirn des leitenden Roboters anvertraut. Die durch den zunehmenden Blutstrom überlasteten menschlichen Gehirne weigern sich zu arbeiten. Ich weiß nicht, wie ich die Gefühle ausdrücken soll, die, in Worte gekleidet, taub und papieren klingen. Oft im Leben wurde ich mir dessen bewußt, daß es Augenblicke und Erlebnisse gibt, die man wirklich nicht schildern kann. Worte sind nur Abdrücke der Wirklichkeit, trockene, gepreßte Blüten im Herbarium der Erinnerung.
    Als ich nach dem ersten Aufblitzen des grünen Lichts die Gurte losschnalle und zum erstenmal durch den Sehschlitz die riesige leuchtende Kugel des Mars sehe, schnürt mir eine sonderbare Ergriffenheit die Kehle zu. Es ist

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