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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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überhaupt keine Zeit, sich den durch das ungewöhnliche Milieu hervorgerufenen Eindrücken hinzugeben. Die dreistündige Arbeit in Raumanzügen führte zu solcher Erschöpfung, daß auch die drei folgenden Ruhestunden in der Kabine nicht genügten, um den Organismus von neuem zu stärken. Außerdem begann sich die Veränderung der Arbeitsordnung ungünstig auf die Leistungen auszuwirken. Nachdem das berauschende Gefühl der neuen Eindrücke schwand, meldete sich die aufgespeicherte Müdigkeit. Auch machten sich die Folgen der geringen Dosen von Kompensationsstoffen im Blut bemerkbar, deren Mengen reduziert werden mußten, um den Organismus auf den Übergang vom schwerelosen zum normalen Zustand vorzubereiten - soweit man die Verhältnisse auf dem Mars als normal bezeichnen kann.
    Unter den Bedingungen dieses interplanetarischen Flugs bewegte sich alles zwischen extremen Grenzen; auf höchste Begeisterung folgte der Fall in stumpfe Schlaffheit. Diese Erkenntnis war für mich um so überraschender, da ich von der gemeinsamen Ausbildung her wußte, daß es sich bei uns um seelisch sehr ausgeglichene Einzelpersonen handelte. Nach einer Beratung mit mir entschied der Kapitän, die Arbeitszeit dem neuen Zyklus anzupassen: nach zehn Stunden Ruhe drei Stunden intensive Arbeit und wieder zehn Stunden Ruhe. Weil die Zeit, die wir auf der Umlaufbahn des Mars verbrachten, eigentlich schon in die Mars-Zeit eingerechnet werden konnte - und es war ziemlich viel -, hielten wir eine solche Einteilung für vertretbar. Die neue Zeiteinteilung war in Übereinstimmung mit der Umlaufbahn des Phobos ausgearbeitet worden. Einfacher gesagt, die Ruhepause dauerte einen Durchflug durch das Licht und zwei Durchflüge durch den Schatten, und die Arbeitszeit einen Durchflug durch das Licht. Die Folge war eine Verminderung der Müdigkeit und eine Steigerung der Arbeitsleistung. Die Montagearbeiten verzögerten sich jedoch dadurch sehr, und obwohl wir scheinbar einen Überschuß an Mars-Zeit hatten, durfte das genau ausgearbeitete Zeitprogramm nicht gestört werden. Der Kapitän begann ungeduldig zu werden. Fünf Tage verbrachten wir bereits auf dem Satelliten Phobos, genauer gesagt fünfmal vierundzwanzig Stunden, siebenunddreißig Minuten und zweiundzwanzig Sekunden - und doch waren die Arbeiten noch nicht zur Hälfte fertig.
    Beim fünften Lastschiff gab es bei der Demontage des für die Rückkehr des Mutterschiffes bestimmten Versorgungsbehälters große Schwierigkeiten. Williams meldete dem Kapitän, daß bei dem Unfall, der während des Fluges das fünfte Schiff bedroht hatte, die Verbindungskonstruktion des Behälters ziemlich deformiert worden war und daß deshalb die Schrauben nicht gelockert werden könnten. Man mußte den ganzen beschädigten Teil mit Sauerstoffflammen abschneiden. Der Kapitän übertrug die Leitung dieser Arbeit dem Haupttechniker Glennon, und zwar in einem Ton, der keinen Zweifel darüber zuließ, welchen Schuldanteil er Glennon zumaß. Das war nach meiner Überzeugung eine überflüssige Verstimmung der mühsam errungenen Harmonie. Seit diesem Augenblick verfiel nämlich Glennon wieder in eine ziemlich verbitterte Pose, die seinen Mitarbeitern keinesfalls die gute Laune erhöhte.
    Das Programm der geologischen Erforschung des Phobos wurde rasch beendet. Der Himmelskörper war in seiner Zusammensetzung so einförmig, daß es wirklich keinen Sinn hatte, die Forschungen weiter auszudehnen. McKinley und
    Compton beschränkten sich auch nur noch auf einige Detail- Fotoaufnahmen. Dahingegen war der Meteorologe Morphy, ein Spezialist für die Marsatmosphäre, während der ganzen Zeit, in der die phantastische plastische Karte des Mars vor uns leuchtete, nahezu in einem Trancezustand. Er machte eine endlose Reihe von Aufnahmen, um verschiedene Erscheinungen in der Marsatmosphäre festzuhalten. Wie er selbst sagte, war das geradezu eine wissenschaftliche Orgie. Als er mir in der Kabine von seiner Arbeit erzählte, kam er mir wie der glücklichste Mensch unter der Sonne vor. Ich bin überzeugt, daß die aus der Befriedigung über die eigene Arbeit stammende Freude zu den Höhepunkten des menschlichen Glücks gehört.
    Es vergingen weitere fünf Tage, die Montagearbeiten gingen schließlich ihrem Ende entgegen. Es mußte noch ein Vorratsbehälter an jenen Teil des Mutterschiffes befestigt werden, der bis zu unserer Rückkehr auf dem Phobos blieb. Obwohl sich die eigene Anziehungskraft des Satelliten kaum auswirkte, war die

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