Die Erde ist nah
Manipulation mit den riesigen zylindrischen Behältern sehr kompliziert und anstrengend, und obwohl alle Arbeiten mit ungewöhnlicher Vorsicht ausgeführt wurden, wäre dabei fast ein tragischer Unfall passiert. Nachdem sich der riesige Zylinder schon an seinem Platz befand, war noch eine kleine Verschiebung nötig. In diesem Augenblick verwickelte sich Williams in ein Sicherungsseil und konnte nicht rechtzeitig seinen Fuß aus dem Raum zwischen dem Behälter und dem Rumpf des Mutterschiffes frei machen. Der gewaltige Druck des Beharrungsvermögens, mit dem sich der Behälter frei bewegte, hätte ihm den Fuß zermalmt, wäre nicht dort ein metallener Werkzeugkasten gewesen, auf den sich der Behälter stützte. Ich will gar nicht daran denken, welche Folgen ein schwerer Unfall unter diesen Bedingungen gehabt hätte. Zum Schluß mußten wir noch das Mutterschiff auf der Oberfläche des Satelliten fest verankern. Das klingt scheinbar absurd, einen Körper, der hier Millionen Jahre regungslos ruhen könnte, wie einen Gaul an einen Pflock anzubinden. Wir durften jedoch absolut nichts riskieren, auch nicht die Möglichkeit, daß durch irgendeine innere Erschütterung im Massiv des Phobos das Mutterschiff in eine unerwünschte Bewegung versetzt wurde, oder auch durch einen Meteoritenschwarm oder durch den Druck der Auspuffgase, wenn unser Konvoi wieder aufsteigen würde. Deswegen wurde das Mutterschiff mit Seilen an mächtigen Metallklammern befestigt, die tief in das Gestein eingerammt waren. So sollte es hier mehr als vierhundert Tage bleiben, als leblose und gleichgültige Masse in dem wunderbaren Spiel von Licht und Schatten, gleichgültig gegenüber der Schönheit von Milliarden Wiederholungen eines Spiels, in dem immer wieder der sagenumsponnene Mars auf der Szene erscheint. Es war zwar ein Stück tote Masse, doch die großen feuerroten Orientierungsquadrate verrieten die Zugehörigkeit zur menschlichen Welt.
Der mattscheinende Phobos verschwand aus unserem Blickfeld. Die Höhe der Umlaufbahn verringerte sich plötzlich, bis sie sich bei vierzig Kilometern über der Marsoberfläche stabilisierte. Unsere Flugbahn deckte sich fast mit der Ebene des Äquators. Jetzt näherte sich die Endphase des Flugs. In der Führerkabine waren Kapitän Norton, der Haupttechniker Glennon und der Meteorologe Morphy. Man mußte sich endgültig für einen Landeplatz entscheiden. Im Projekt der Expedition waren drei Alternativen für die Landung und die Errichtung einer Ausgangsbasis ausgearbeitet worden. Als erste war das Gebiet Deucalionis Regio zwischen Sinus Saba- eus und Pandorae Fretum bestimmt worden, dort, wo Jahrzehnte hindurch besonders markante jahreszeitliche Veränderungen beobachtet worden waren; als zweites das Gebiet am nördlichen Rand von Aurorae Sinus, ebenfalls aus der
Vergangenheit als veränderliches Gebiet, als das berühmte Gebiet der »Kanäle« bekannt; als drittes der östliche Rand von Syrtis Minor, und zwar wegen häufig beobachteter Veränderungen seines Aussehens. Alle diese Gebiete liegen südlich vom Äquator. Bei ihrer Auswahl wurde auf die günstigeren klimatischen Verhältnisse der südlichen Halbkugel und selbstverständlich auch auf das außerordentliche Interesse der Biologen Rücksicht genommen. Der Landungspunkt sollte im Wüstengelände liegen; denn die Aufnahmen der automatischen Sonden, die im Rahmen des Projekts Alfa zum Mars gesendet worden waren, zeigten eine bedeutende Geländegliederung der »Meeres«-Gebiete. Dabei sollte der Landungspunkt nicht allzu weit von den ausgewählten Gebieten entfernt sein, denn darauf müßten sich die Forschungen zur Lösung der Hauptaufgabe auf dem Gebiet der Astrobiologie konzentrieren: die Erforschung des Lebens auf dem Mars. Die Entscheidung für die Wahl eines dieser drei Landeplätze hing von den jeweiligen meteorologischen Bedingungen ab. Wie in einem phantastischen Film zieht das endlose Panorama des unberührten Ödlandes langsam unter uns vorbei. Es ist jedoch keine Zeit, sich diesen Eindrücken hinzugeben. Der Blick nach unten bedeutet eine Analyse: Das Gebiet Syrtis Minor kommt nicht in Frage. Das Land ist mit trübgelbem nebligem Wolkenschleier bedeckt, der die riesige Fläche vom Südrand der Wüste Elysium über Aethiopis bis zur Syrtis Maior einnimmt. Das Gebiet Aurorae Sinus liegt um diese Zeit allzu nah beim Terminator, so daß die langen, von der tief stehenden Sonne geworfenen Schatten die Übersicht des Geländes beeinträchtigen. Am
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