Die Erde ist nah
nichts, sagte ich mir, höchstens zu einem schlechten Ende. Der Mensch darf seinen gereizten Nerven nicht unterliegen wie ein primitives Lebewesen. »Kapitän . . .«, sagte ich, wußte aber nicht, wie weiter. Ich drehte mich um und ging.
Mehr als von der geheimnisvollen »Stadt« wurde jetzt auf der
Basis vom Zwist der Kommandanten gesprochen. Die Mißstimmung zwischen den beiden Männern spiegelte sich im Leben der gesamten Expedition wider. Die Besatzung polemisierte über Recht und Unrecht. Das Leben unter diesen nichtirdischen Bedingungen schien wieder hysterische Merkmale zu bekommen. Der Kapitän bestand darauf, daß sich O'Brien vor der Besatzung entschuldigte. Ich erfuhr, daß er sogar entschlossen war, O'Brien auf eigene Verantwortung seiner Funktion als Leiter der wissenschaftlichen Forschungen zu entheben und ihn während des Großen Marsches auf der Basis zurückzulassen. Ich weiß nicht, ob es diese Drohung oder ein Aufblitzen des normalen irdischen Verstandes war, das schließlich den Stolz, oder besser gesagt, die Starrköpfigkeit O'Briens brach und ihn veranlaßte, sich beim Kapitän zu entschuldigen. Diese ganze geschmacklose Angelegenheit wurde vor der gesamten Mannschaft abgewickelt. Die Worte O'Briens und des Kapitäns erschienen mir kühl und phrasenhaft. Ein Gefühl der Müdigkeit und Sinnlosigkeit überfiel mich. Ich erinnerte mich an Watts' beliebten Satz, daß nichts auf der Welt vollkommen sei. Und um so mehr empfand ich meine eigene Unvollkommenheit.
Als sich die Situation auf der Basis wenigstens äußerlich geregelt hatte, bessene sich, gleichsam als positiver Beitrag, auch das Wetter. Der Wind ging in eine leichte Brise über, die nur einen leichten, von der Sonne durchschienenen Staubschleier in der Atmosphäre hielt. Da Morphy bereits genügend Erfahrungen mit den örtlichen Verhältnissen hatte, gestattete der Kapitän anstatt der sechsgliedrigen Expedition zu den geheimnisvollen Ruinen der »Stadt« den Start der Libelle. Es flogen Lawrenson und McKinley. Wir warteten an den Empfängern gespannt auf ihren Bericht.
Obwohl die Ruinen angeblich nur ungefähr fünfzig Kilometer von der Basis entfernt waren, was für die Libelle fünfzehn bis zwanzig Minuten Flugzeit bedeutete, meldete die Libelle erst nach einer halben Stunde Schwierigkeiten mit der Orientierung in dem einförmigen Gelände. Weil die Spuren der Schlepper längst verweht waren, hatten die Flieger keinerlei Anhaltspunkte. Nach weiteren fünfzehn Minuten meldete McKinley, daß sie sich über der »Stadt« befänden und landen würden. Der unüberhörbar geringen Begeisterung nach zu schließen, schien die »Stadt« endgültig in Trümmer zu zerfallen.
Nach zehn Minuten meldete sich McKinley von neuem. Nichts Besonderes. Verwitterte, vom Sand halb verwehte Felsen. So endete die Sensation von der Marsstadt. Als McKinley und Compton später die ursprünglichen, mit dem Teleobjektiv gemachten Aufnahmen mit den neuen Fotobildern verglichen, kamen sie zu dem Schluß, daß die phantastische Ähnlichkeit mit künstlichen Bauten auf einen Reflex des Sonnenlichts in der staubigen Atmosphäre über der dunklen Silhouette der Felsen zurückzuführen sei. So konnten wir uns wieder ganz den Vorbereitungen für den Großen Marsch widmen. Keine der beschämenden Angelegenheiten, weder die von der zersplitterten Gemeinschaft noch der Zwischenfall mit der Marsstadt wurde in den Meldungen zur Erdzentrale erwähnt, denn all das war nicht gerade repräsentativ.
22
Zum Unterschied von der ersten Expedition beginnt die zweite bei schlechtem Wetter. Ein scharfer Wind jagt Ströme von Staub, die sich wie ein riesiger gespenstischer Fluß in unübersehbare Breite ergießen, über den Boden dahin. Was uns in diese neblige Ferne lockt, was uns zwingt, zu entbehren und alles aufzugeben, was dem menschlichen Leben ähnlich ist, darüber denkt niemand nach. Es ist wie ein riesiger Magnet. Wir fahren im Staub, den die Schlepper aufwirbeln, in gelbgrauen Staubwolken, die der Nordwestwind über die endlose Ebene der Wüste Edom dahinjagt, langsam gegen Süden. Die überladenen Anhänger verzögern das Vordringen der Kolonne. Der folgende Tag ist noch schlimmer. Auf den windgeschützten Seiten der Dünen geraten wir in immer größere Anwehungen fließenden Staubs, in denen die Eidechsen wiederholt steckenbleiben. Auch die Orientierung wird schwieriger, weil der von den Schleppern aufgewirbelte und vom Rückwind fortgetragene Staub den Fahrern die
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