Die Erde
deines Achtgroschenabgeordneten stehst! He? Dem leckst du doch die Stiefel, du bist dumm genug, zu glauben, daß er der Stärkere ist und daß er dir hilft, dein Getreide zu verkaufen! Na schön, mich, der ich nichts zu verkaufen habe, mich könnt ihr alle mal am Arsch, du, der Bürgermeister, der Stellvertretende Bürgermeister, der Abgeordnete und die Gendarmen! – Morgen sind wir an der Reihe, da sind wir die Stärkeren: und nicht ich allein werde dabeisein, alle armen Kerle werden dabeisein, die genug davon haben, vor Hunger ins Gras zu beißen, und ihr werdet dabeisein, jawohl, ihr, wenn ihr es müde seid, die Bürger zu ernähren, ohne selbst auch bloß Brot zu essen zu haben! – Weggefegt die Grundbesitzer! Man wird ihnen eine Kugel in den Kopf jagen. Die Erde gehört dem, der sie nimmt. Hörst du, Jüngelchen, die Erde, die nehme ich, ich scheiße drauf.«
»Komm doch, ich knall dich ab wie einen Hund!« rief Geierkopf so außer sich, daß er hinausrannte und die Tür zuschmiß.
Lequeu, der mit verschlossener Miene zugehört hatte, war bereits fortgegangen, er konnte als Beamter solchen Gesprächen nicht länger beiwohnen. Fouan und Delhomme steckten beschämt die Nase in ihren Schoppen, sagten kein Sterbenswörtchen, weil sie wußten, daß der Trunkenbold noch mehr schreien würde, falls sie einschritten. Die Bauern an den Nachbartischen wurden schließlich böse: Wie? Ihr Hab und Gut gehörte ihnen nicht, man würde kommen und es ihnen nehmen? Und sie schimpften, sie wollten über den »Gleichmacherich« herfallen, ihn mit Fausthieben hinauswerfen, als sich Jean erhob. Er hatte Jesus Christus nicht aus den Augen gelassen, ihm war keines seiner Worte entgangen, er machte ein ernstes Gesicht, als suche er herauszubekommen, was wohl richtig sei von all diesem Zeug, das ihn empörte.
»Jesus Christus«, erklärte er gelassen. »Ihr tatet besser daran, zu schweigen. Alles das spricht man nicht aus; und wenn Ihr zufällig recht habt, seid Ihr zumindest nicht gerade klug, das zu sagen, denn Ihr setzt Euch selbst ins Unrecht.«
Dieser so besonnene Jean mit seiner so vernünftigen Bemerkung beruhigte Jesus Christus im Nu. Er sank wieder auf seinen Stuhl zurück und erklärte, daß er alles in allem darauf pfeife. Und er begann wieder mit seinen Späßen; er umhalste die Bécu, deren Mann am Tisch schlief; er trank den Punsch gleich aus der Schüssel aus. Im dichten Rauch hatte das Gelächter wieder eingesetzt.
Hinten in der Scheune wurde immer noch getanzt. Clou ließ die Töne seiner Posaune anschwellen, deren Geschmetter das dünne Gefidel der Geige erstickte. Der Schweiß rann von den Leibern, kam mit seiner Schärfe zum Gestank der blakenden Lampen hinzu. Man sah nur noch die rote Schleife von Bangbüx, die sich abwechselnd in Nénesses und Delphines Armen drehte. Berthe war auch noch da, war ihrem Galan treu und tanzte nur mit ihm. In einer Ecke grinsten junge Leute, denen sie einen Korb gegeben hatte. Freilich, wenn dieser Trottel keinen Wert darauf legte, daß bei ihr was dran war, dann hatte sie allen Grund, ihn zu behalten, denn man kannte andere, die trotz ihres Geldes sicher lieber warteten, bis ihr was dranwachsen würde, ehe sie Anstalten machten, sie zu heiraten.
»Gehen wir schlafen«, sagte Fouan zu Jean und Delhomme.
Als Jean die beiden dann draußen verlassen hatte, wanderte der Alte schweigend dahin, schien die Dinge wiederzukäuen, die er eben gehört hatte; und als hätten diese Dinge ihn zu einem Entschluß gebracht, drehte er sich jäh zu seinem Schwiegersohn um.
»Ich werde die Bude verkaufen und bei euch leben. Es ist abgemacht ... Leb wohl!«
Langsam ging er allein nach Hause. Aber das Herz war ihm schwer, seine Füße strauchelten auf der stockfinstern Landstraße; eine gräßliche Traurigkeit machte ihn taumeln wie einen Betrunkenen. Er hatte bereits keine Erde mehr, und bald würde er kein Haus mehr haben. Ihm war es, als zersäge man die alten Balken, als nehme man die Dachschiefer weg über seinem Haupte. Von nun an hatte er nicht einmal mehr einen Stein, hinter dem er Schutz suchen konnte; er würde wie ein Armer Tag und Nacht ständig durch die Fluren irren; und wenn es regnete, würde der kalte Regen, der endlose Regen auf ihn niedergehen.
Kapitel IV
Die große Augustsonne stieg schon um fünf Uhr früh am Horizont empor, und die Beauce entrollte ihr reifes Getreide unter dem Flammenhimmel. Seit den letzten Regengüssen des Sommers war das immer höher wachsende
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